Wackersdorf wird zum Kino-Ereignis

19.9.2018, 10:25 Uhr
Wackersdorf wird zum Kino-Ereignis

© Foto: Martin Herbaty

Haffners Film konzentriert sich auf die Wandlung von Landrat Hans Schuierer, der sich vom Befürworter der WAA zu ihrem Gegner entwickelt, weil er sich den Bürgern, dem Recht und seinem Gewissen verantwortlich fühlt. Anfangs erscheint Schuierer die WAA als Geschenk des Himmels, verspricht sie doch Anfang der 80er Jahre 3000 Arbeitsplätze und wirtschaftlichen Aufschwung im vom Strukturwandel schwer angeschlagenen Landkreis Schwandorf. Doch als die bayerische Staatsregierung immer massiver gegen die WAA-Gegner vorgeht und sich über rechtliche Vorgaben hinwegsetzt, wachsen seine Zweifel, und er beginnt, selbst Nachforschungen anzustellen.

Ein Großteil des Neumarkter Publikums verband mit der Geschichte persönliche Erinnerungen. Als Haffner nach der Vorstellung fragte, wer damals dabei gewesen war, gingen sehr viele Arme hoch. In der Diskussion stand immer wieder im Vordergrund, die damaligen Ereignisse in Erinnerung zu behalten und angesichts aktueller Entwicklungen als Vorbild zu nehmen. So hatten denn einige ehemalige Aktivisten ihren inzwischen erwachsenen Nachwuchs mit in die Vorstellung genommen. Einige Zuschauer zogen Parallelen zur Situation im Hambacher Forst. Der komplett in den Landkreisen Schwandorf und Cham gedrehte Film lebt nicht zuletzt durch seine Szenerie. Ursprünglich sollte in Wackersdorf selbst gefilmt werden. Doch ist der Ort mittlerweile "zu herausgeputzt", so Haffner, der die historische Verortung der Ereignisse eher in den umliegenden Gemeinden wiederfand.

Die schmale Trennlinie zwischen damaliger Realität und filmischer Verarbeitung zeigte sich beim Casting vor Ort: "Da kamen 800 Leute, und 80 Prozent von denen haben uns ihre Wackersdorf-Geschichten erzählt", erinnerte sich Haffner. "Da kamen Geschichten von allen Seiten, von Demonstranten, von Polizisten, wie die WAA Familien gespalten hat…" In diesem Moment bekam Haffner Angst, den Film zu drehen, weil die Menschen der Region noch so tief im Thema steckten.

Wackersdorf wird zum Kino-Ereignis

© Foto: Martin Herbaty

Für die Rolle der WAA-Gegnerin Monika Gegenfurtner hatte Oliver Haffner Anna Maria Sturm schon im Auge, bevor er erfuhr, dass ihre Mutter Ingrid Maria Sturm eine maßgebliche Organisatorin der realen Proteste war. Die Rolle Hans Schuierers besetzte er mit Johannes Zeiler nicht nur wegen seines Aussehens, sondern auch, weil die steirische Mundart des Schauspielers dem Oberpfälzischen sehr ähnelt. Dafür, dass er seine Darsteller Dialekt sprechen lässt, erntete der Regisseur Beifall.

Obwohl "Wackersdorf" die Ereignisse jener Jahre ausführlich nachzeichnet, tragen nur die Figuren Hans Schuierer und der von Peter Jordan verkörperte Claus Bössenecker, der vom kritisch beäugten Münchner Beamten zum Verbündeten wird, ihre realen Namen. Gerade die maßgeblichen Politiker bleiben namenlos, obwohl Innenminister Alfred Dick, Umweltminister Alois Glück und Staatssekretär Peter Gauweiler als so schneidiger wie skrupelloser Aufsteiger für Zeitzeugen erkennbar sind. Haffner hatte sich bewusst für diesen Weg entschieden: "Mir war wichtig, dass der Film auch außerhalb Bayerns und außerhalb Deutschlands funktioniert."

Den Zuschauern blieben etliche Szenen im Gedächtnis, so der Moment, als Hans Schuierer und Monika Gegenfurtner im Campingbus ihre Zusammenarbeit besiegeln, während darum herum die WAA-Gegner das Lied "Wehrt Euch, leistet Widerstand" anstimmen. An dieser Szene lag Haffner selbst viel. Seine Einschätzung "Das ist nicht kitschig, sondern ein Bekenntnis zur Demokratie" teilten viele der Anwesenden.

Neugierig waren die Zuschauer, welche Teile des Films real waren, und welche dem Drehbuch geschuldete Fiktion. Etwa die Szene, als Industrievertreter Billinger die Baupläne präsentiert und Schuierer darauf den 200 Meter hohen Abluftkamin entdeckt, der die Radioaktivität über eine größere Fläche verteilen soll: "Die ist 100 Prozent so passiert, das war der Moment, wo Hans Schuierer gesagt hat, jetzt ist Schluss", so Haffner.

Hauptproblem war die Finanzierung: Viele hätten nicht glauben wollen, dass so ein Thema die Leute emotional packen könne. Haffner nahm die Reaktionen der Zuschauer als Beleg, dass es wider alle Bedenken funktioniert hat.

Der Film endet mit dem Reaktorunfall in Tschernobyl, der die Öffentlichkeit für die Gefahren der Atomtechnik sensibilisierte und das Ende des WAA-Baus einläutete.

Die Aufrüstung der Staatsmacht, die Proteste am Bauzaun und das massive Vorgehen der Polizei kommen im Film punktuell in Form von Originalaufnahmen vor. In den Erinnerungen vieler Zuschauer waren die Ereignisse dagegen noch sehr lebendig. "Ich war dabei, bin mit CS-Gas eingenebelt worden, bin verhaftet worden, habe Widerstand geleistet – und es hat geholfen", fasste es ein WAA-Veteran im Gespräch mit Haffner zusammen.

Nicht nur Gegner des Projekts saßen am Montag im Publikum. Ein Besucher, der damals in Uniform auf der Gegenseite stand, bedankte sich beim Regisseur dafür, dass der Film sich nicht auf die großen Polizeieinsätze konzentriert. Er selbst sei zwiegespalten gewesen – einerseits habe er um die Gefahren der Anlage gewusst und Angst um seine Kinder gehabt, anderseits habe er den Auftrag gehabt, die Anlage zu schützen.

"Wackersdorf" läuft ab Donnerstag für mindestens drei Wochen im Cineplex Neumarkt, bei entsprechendem Interesse auch länger.

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