„Wenn die Knochen splitterten, ging’s mir gut“

25.1.2011, 16:59 Uhr
„Wenn die Knochen splitterten, ging’s mir gut“

© Edgar Pfrogner

Allein im Jahr 2009 waren es 28 derbe Beleidigungen, Schlägereien und Hakenkreuzschmierereien, mit denen die Rechten im Landkreis Schlagzeilen machten. Was viele als Spinnerei Einzelner abtun, schwelt als wachsende Gefahr im Untergrund. Kaum einer weiß das besser als einer, der an vorderster Front dabei war. Einer, für den Ausländer per definitionem zum Abschuss freigegeben waren, einer, der auch nicht davor zurückschreckte, Kinder niederzuknüppeln. „Aus kleinen Ratten werden bald große – also bloß keine Scheu“, rief der damals 19-Jährige seinen Gesinnungsbrüdern zu.

Zehn Jahre später hat der heute 31-Jährige seinen ehemaligen Schlachtnamen „Kamerad Pistole“ abgelegt. Doch seine Zuhörer in der Berufsschule Neumarkt erahnen den Kämpfer noch. Wenn er die Faust ballt und von splitternden Knochen spricht, wenn seine Mundwinkel grollen, wenn er berichtet, wie er seine „demokratisch verseuchten Eltern“ zusammengeschlagen hat.

Carolin Braun, die sich seit Jahren in der Projektgruppe „Vielfalt tut gut“ arrangiert, hält solche Vorträge für die beste Methode, dem Umsichgreifen von rechtem Gedankengut entgegenzuwirken. Auch sie lauscht dem ostdeutschen Aussteiger, immer wieder erkennt sie Parallelen zu den Rekrutierungsmethoden, die auch die hiesige Kameradschaft Altmühltal benutzt. Auch hier werden junge Leute eingeladen, an vermeintlich harmlosen Campingwochenenden und Grillabenden teilzunehmen. Musik und Vorträge machen mit der menschenverachtenden Ideologie vertraut, irgendwann folgen die ersten „Aktionen“ in der Gruppe.

„Die Gemeinschaft wird einem alles“, weiß auch Manuel Bauer. Wie ernst es dem ehemaligen Chef der „Wehrsportgruppe Racheakt“ und dem Gründer des „Bundes Arischer Kämpfer“ mit seiner Gesinnung war, macht er klar, indem er von seinen Ausbildungssituationen berichtet. In der Tschechei, in Polen und Skandinavien sei er in Camps gewesen, wo er gelernt habe, auf der Flucht in der Natur zu überleben und Kampfsporttechniken anzuwenden.

Mitleid kannte der Mann nicht, in dem mit zwölf Jahren durch verfassungsfeindliche Musik erstmals der Drang reifte, sein Leben dem „wahren Deutschtum“ zu widmen. Wenige Jahre später schlug er auf der Straße alles zusammen, „was braun, gelb oder schwarz“ war. Ins Gefängnis kam er, weil er versucht hatte, einen Homosexuellen zu töten. Über Monate presste er Zehntausende aus ihm heraus, als nichts mehr zu holen war, schleppte er den Mann in den Wald, hielt die Pistole an den Kopf und drückte ab. Eine Ladehemmung rettete dem Geschäftsmann das Leben, Bauer selbst hätte keine Hemmungen gehabt.

Das Klischee ist überholt

Wer glaubt, dass solche Menschen stets dumpfe Gestalten sind, die ohne Beruf und liebendes Elternhaus durchs Leben gehen, der irrt, macht Carolin Braun klar. Sie selbst kenne nur einen aus der Kameradschaft, der diesem Klischee entspreche. Auch Manuel Bauer macht klar: Die Gefahr, von solchen Verführern umschmeichelt zu werden, droht vielen. Und ist das erst einmal geschehen, ist mit Worten kaum mehr gegenzuwirken.

Erst schlagende Argumente klärten seinen Geist im Gefängnis. Weil er zwei Gesinnungsbrüder wegen Drogen zur Rede stellte, prügelten sie brutal auf ihn ein. Ausgerechnet zwei Türken waren es, die die Schläger von ihm wegzogen. Auch sonst zeigten seine „Kameraden“, was Freundschaft ihnen wert ist: Keine Briefe, keine Besuche erreichten Bauer.

Seit er der rechten Szene den Rücken gekehrt hat, ist sein Leben in Gefahr. Er lebt versteckt, seine Vorträge, die er mit Unterstützung der Friedrich-Ebert-Stiftung in ganz Deutschland hält, werden aus Sicherheitsgründen nicht angekündigt.

Den Neumarkter Schülern zumindest stecken Bauers teils derbe und schnörkellose Ausführungen nach dem Vortrag im Halse. Sie sind sich sicher, nun noch aufmerksamer im Gespräch mit vermeintlichen neuen Freunden zu sein.