Wenn Du ein Haus planst, denke an die Stadt

11.10.2013, 11:31 Uhr
Wenn Du ein Haus planst, denke an die Stadt

© Fritz-Wolfgang Etzold

Oftmals, aber nicht immer, wie die Handschrift von Jo Franzke bestätigt. Am vergangenen Mittwoch war der gebürtige Berliner auf Einladung von Johannes Berschneider im Rahmen der Vortragsreihe Architektur & Baukultur in Neumarkt zu Gast und referierte über seine Philosophie und die daraus entstandenen Werke. Die Stuhlreihen im Museum für historische Maybach-Fahrzeuge waren reichlich besetzt – sehr zum Erstaunen des in Frankfurt am Main lebenden Architekten: „So viele Architekturbegeisterte kriegen wir in Frankfurt nicht zusammen.“

Seit 31 Jahren ist Franzke in Frankfurt zu Hause, nach seinen Studien in Braunschweig und Aachen sowie seiner beruflichen Startphase in Köln. 1981 hatte Jo Franzke die Leitung des Frankfurter Büros von Oswald Mathias Ungers übernommen, um 1986 schließlich sein eigenes zu eröffnen. Nach einem vor rund zehn Jahren gestarteten Engagement in China und im Nahen Osten konzentriert sich das Architekturbüro mit seinen 60 Mitarbeitern heute wieder vollständig auf die Frankfurter Keimzelle.

Jo Franzke spricht von „Stadtergänzungen“, wenn er seinen Weg zu moderner Architektur in gewachsenen Städten beschreibt. „Wir müssen unsere europäischen Städte in ihrer jeweils eigenen Kultur weiterdenken.“ Mit diesem Postulat erteilt Franzke auch einer Aneinanderreihung von Aufsehen erregenden Solitären eine klare Absage: „Wenn zahlreiche glamouröse Entwürfe aufeinander treffen, bringen sie zu viel Unruhe ins Gesamtbild und torpedieren sich in ihrer Wirkung gegenseitig.“

Deshalb ist in seinen Augen auch in den 1920-er Jahren der Versuch gescheitert, mit der Bauhaus-Architektur architektonische Grundsätze auf den Kopf zu stellen und die Gestaltung von Bauwerken völlig neu zu erfinden. Der Architekt sieht sich dennoch sehr wohl als Kind des Zeitgeschehens, das jedoch stets an historische Zeitzeugen anknüpft, um die Stadtgeschichte fortzuschreiben und ohne große Aufregung weiterzuentwickeln.

Vernünftig bleiben

Dem Leitbild von Jo Franzke Architekten liegen sieben Aspekte zugrunde, die sich alle je nach Anforderung in den Bauwerken wiederfinden. Der erste heißt Ratio. „Die Gestaltung folgt den Gesetzen der Vernunft und ist rein funktionsgesteuert“, berichtet Franzke. So wie bei dem Kommunikationgebäude auf dem Frankfurter Flughafen, der seit 25 Jahren zu seiner Klientel zählt. Das 200 Meter lange und 35 Meter hohe Gebäude beherbergt unter anderem ein Umspannwerk, Büros, Werkstätten und andere technische Einrichtungen. Die verspiegelte Glasfassade ist streng gerastert, Pfeiler und Mauerscheiben aus rotem Standstein verbergen Infrastruktur- und Erschließungseinrichtungen wie Leitungsschächte und Treppenhäuser.

Ein weiteres Beispiel ist die Gestaltung des Frankfurter Büros der Verlagsgruppe Handelsblatt. Der Komplex steht auf einem Gelände, das zuvor Stadtvillen mit großzügigen Gärten beherbergte. „Es gab ein Bürgerbegehren, die Gartenlandschaft mit ihrem alten Baumbestand zu erhalten“, erinnert sich Franzke. Er löste die Situation mit asymmetrisch gestalteten Gebäuden, die sich zum Garten hin öffnen und den Baumbestand schonen. Zur Straße bilden sie eine gemeinsame Front und sind über Glastrakte miteinander verbunden.

Eine zweite wesentliche Grundlage des Architekturbüros ist das Thema Kontinuität. So gibt es in Alt-Sachsenhausen den Frankensteiner Hof, einen im Krieg zerstörten einstigen Adelssitz mit typisch schlichter Fünfziger-Jahre-Bebauung, die einst städtische Ämter beherbergte. Es wäre ein Leichtes gewesen, sie zu ersetzen. Doch Franzke Architekten hat sie stehen lassen, bei den bestehenden Gebäuderiegeln die Fassaden geöffnet und so helle Büroflächen geschaffen.

Zwischen diesen Riegeln gab es noch gut Platz für eine Wohnbebauung – ein turmähnliches Gebäude mit drei Giebeln, spitzen Dächern und verspringender Fassade. Die pastelligen Fassadentöne orientieren sich am Farbleitplan für das traditionelle Frankfurter Äppelwoi-Viertel.

In Städten bedeutet Platz bares Geld, also gehört auch die Verdichtung zu den Leitthemen. Aber nachdem sie schon sein muss, dann bitte auch mit dem nötigen Feingefühl, wie ein Mehrfamilienhaus in der anspruchsvollen Frankfurter Metzlerstraße beweist. Es vollzieht den Übergang von vierstöckigen zu dreistöckigen Bestandsbauten nach und zitiert an der Fassade Elemente des für Frankfurt so charakteristischen klassizistischen Wohnungsbaus – ein moderner Baukörper, der nicht modisch erscheint.

Fabrik wird zu Büro

Ein eigenes, immer wichtiger werdendes Thema ist die Konversion. „Es gibt unzählige ehemalige Schulen, Fabrikbauten oder Altersheime mit erhaltenswerten Gebäudesubstanzen, die neuen Bestimmung zugeführt werden wollen“, resümiert Jo Franzke und zitiert das Schicksal der ehemaligen Jade-Fabrik in Frankfurt. Der Klinkerbau aus dem Jahre 1923 war ursprünglich viergeschossig und trug ein Walmdach. Über einen zweigeschossigen Aufbau mit Metallverkleidung hat das Architekturbüro die ursprüngliche Kubatur wieder hergestellt und über Lichtschächte das Tageslicht auch die innen liegenden Räume gebracht.

Jo Franzke war das erste Mal in Neumarkt und hat mit seinem Blick fürs große Ganze der Jurastadt ein rundum positives Zeugnis ausgestellt. Umso unverständlicher war für ihn deswegen der Status Quo des Stadtführers – und empfahl unumwunden eine Neuauflage.

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