Willibald Weber fand Flugblätter aus dem 2. Weltkrieg

8.4.2015, 11:15 Uhr
Willibald Weber fand Flugblätter aus dem 2. Weltkrieg

„Es war ein kleines Packerl von vielleicht 20 identischen Flugblättern, längs gefaltet und gleich am Eingang unter Ziegel und Dachlatten geschoben“, berichtet Sohn Willibald Weber, der heute noch in Rothenfels wohnt.

Wie das Hören ausländischer Radiosender sei es den Deutschen ja verboten gewesen, solche Schriften der Alliierten zu lesen, berichtet der heute 76-Jährige und ergänzt: „Ich war jedoch schon immer recht neugierig und habe zum Beispiel die alten Zeitungen, mit denen bei Kälte die Bienenstöcke warm gehalten wurden, gerne gelesen.“

Willibald Weber fand Flugblätter aus dem 2. Weltkrieg

© Alle Fotos: Horst Linke

Und so habe sein Vater einen Ort gesucht, an dem keinem Falschen die Zettel, die er auf einer Wiese in Rothenfels aufgesammelt hatte, in die Finger fielen – genügte es schon, dass Michael Webers Kinder wussten, dass er ausländische Radiosender hörte. „Dann saß er da, mit einer Decke über dem Radio und seinem Kopf und mahnte uns, ja kein Wort davon irgendwem zu erzählen.“

Vater nie dazu befragt

Willibald Webers Vater verstarb 1989, die Blätter fand der Junior erst Mitte der 1990er Jahre. „Nach dem genauen Wie und Warum konnte ich ihn leider nie fragen.“

Einige Blätter waren von Mäusen angeknabbert, andere waren mehrmals nass geworden und wieder getrocknet – „sie lagerten ja direkt unter dem Dach“. Als das Bienenhaus vom Zentrum der Gemeinde an den Dorfrand rückte und ausgeräumt wurde, stieß Willibald Weber auf die Blätter.

Bis heute kennt er keinen weiteren in der Umgebung, der ein ähnliches Flugblatt besitzt. „Theoretisch könnten diese hier die einzigen sein, die gefunden worden sind. Die anderen könnten ja genauso gut in den Wald gefallen sein, wo sie keiner fand.“

Erfolgsnachrichten der Alliierten

Die doppelseitigen DIN-A4-Blätter waren voll mit Erfolgsnachrichten der Alliierten, um die deutschen Soldaten zum Aufgeben zu bewegen, sie auf ihre aussichtslose Lage hinzuweisen: „Braunschweig jetzt in Gefahr – Göttingen, Hildesheim und Pforzheim gefallen“, heißt es auf einem oder „Die Schweiz will den Duce nicht haben“ auf einem anderen.

Und ein Bild mit drei erst 14-jährigen, lachenden, Brot in Händen haltenden „Wehrmachtssoldaten“ ist untertitelt mit „Sie ergaben sich den Amerikanern. Es schmeckt ihnen gut in der Kriegsgefangenschaft.“ Doch die Wehrmacht in Rothenfels hielten Nachrichten wie diese nicht von einem weiteren Schusswechsel mit den Amerikanern ab.

Willibald Weber fand Flugblätter aus dem 2. Weltkrieg

Der Sonntag, 22. April 1945, hat sich bei dem damals sechs Jahre alten Willibald Weber ins Gedächtnis eingebrannt: „Die hatten doch keine Chance mehr und trotzdem hat einer der Verrückten das Feuer eröffnet. Die Amerikaner schossen zurück. Zwei Stunden dauerte das. Erst hörten wir Granaten, dann kamen die Panzer, weil die Deutschen nicht nachgaben. Wie das in den kleinen Gassen dröhnte.“

Gerade einmal elf Häuser standen im damaligen Rothenfels. Die Scheune des heutigen Bürgermeisters hatten die Amerikaner in Brand geschossen, weil sie deutsche Soldaten darin vermuteten. Letzten Endes flüchteten die verbliebenen Wehrmachtssoldaten: „Sie ließen Teile ihrer Uniform zurück – allerdings keine Waffen oder Munition.“

Zum Quartier umfunktioniert

Das Haus der Webers wurde kurzerhand für wenige Stunden zum Quartier der Amerikaner: „Mein Vater hat ihnen die Zimmer gezeigt, dass keine deutschen Soldaten darin waren. Dann wurden wir Kinder in die Zimmer gesperrt, unsere Mutter musste Eier für die Amis ausbacken und diese beratschlagten mit einer großen Karte im Wohnzimmer, wie sie weiter vorrücken wollten. Rund 20 Leute waren da plötzlich bei uns im Haus. Sogar drei Gefangene, die mit hinter dem Arm verschränkten Armen auf dem Boden zu sitzen hatten, waren dabei.“

Von Pfeffertshofen über die Kräfft habe man Rothenfels in seinen Besitz gebracht; auch Neumarkt wurde bereits umkämpft. Der Ausgang der Historie ist bekannt.

Willibald Weber hat einige Flugblätter mittlerweile an Gemeinde, Archive und Geschwister weitergegeben. Seine verbleibenden Exemplare bleiben bei ihm – gut geschützt: „Damit sie nicht weiter kaputt gehen“.

Ihm ist es ein wichtiges Anliegen, die Erinnerung an die Kriegszeiten in seiner Heimat nicht einschlafen zu lassen: „Die heutige Jugend kann sich daran doch nicht mehr erinnern.“ Erzählungen und Flugblätter jedoch können Einblicke geben – „denn diese mahnende Zeit muss unbedingt wachgehalten werden“.

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