Zu Martinis Zeit ächzte Freystadt unter der Last der vielen Kriegszüge

11.1.2016, 18:27 Uhr
Zu Martinis Zeit ächzte Freystadt unter der Last der vielen Kriegszüge

© F.: Etzold

Und wäre Martin nicht ein berühmter „Komponist, Kapellmeister an den Höfen der Prinzen von Ondein Chantilly, von Artois, dem späteren König Karl X., der Könige Ludwig XVI und XVIII, Superintendant und Professor am Konservatorium für Musik in Paris“ gewesen, wäre das Jahr 1740 ohne jede weitere Nennung untergegangen; abgesehen von der Notiz: „Die Bürger dürfen am Stadtgraben Pflanzbeete anlegen. Jedes Haus am Marktplatz bekommt gegen Bezahlung einen Garten zugeteilt.“

Johann Paul Ägid Martin kommt in einer unruhigen Zeit zur Welt – und unstet wird der Weltenlauf bis zu seinem Tod bleiben. 1740 hatte Maria Theresia als regierende Erzherzogin von Österreich den Thron bestiegen, sah sich aber einer Front ablehnender Kurfürsten gegenüber: Die hatten bereits den bayerischen Kurfürsten Karl Albrecht zum Kaiser gewählt. Für Österreich der Kriegsgrund; Bayern fällt 1743 vollständig in österreichische Hand.

Unruhige Zeit

Davon ist im Geburtsjahr Martins noch nichts zu spüren. Aber schon zwei Jahre später, schreibt Zellner, habe Freystadt unter der Last des Krieges geächzt: „Es muss viel Hafer, Heu und Stroh in die Heeresmagazine nach Neumarkt geliefert werden. Von dort aus bekommen die Fuhrleute oft den Befehl vom französischen Kommando, die Futtermittel bis Amberg zu fahren.“ Dazu kommen die Einquartierungen der Soldaten, für die fast nichts bezahlt wird. 1742 etwa ziehen zwei Trecks Franzosen durch die Stadt. Von Mai bis August weiden die Pferde der Soldaten die Freystädter Flur buchstäblich leer. Schauerschläge, Überschwemmungen, hitzige Krankheiten und Heereslieferungen lassen die Stadt verarmen, heißt es.

Kein Wunder, dass Martins Vater, Schulmeister zu Freystadt und Organist in der Wallfahrtskirche, zu schauen hat, wie er seine Familie durchbringt. Zehn Kinder hat er mit seiner ersten Frau, die 1747 stirbt. Kein Wunder, dass er drei Monate später schon wieder heiratet, Anna Maria Schitler, die Tochter eines angesehenen Ratsherren der Stadt. Weil Sohn Johann Paul Ägid begabt ist, kommt er zu den Jesuiten zur Ausbildung. Er soll Pfarrer werden und dann mit seinem Einkommen die Ausbildung zurück zahlen; so ist der Plan. Denn leisten kann sich der Vater diese nicht. Es kommt bekanntlich anders.

Kurz noch zur Familie Martin: Der Vater stirbt 1761, worauf sich der älteste Sohn Andreas vom Militärdienst befreien lässt, um die Stelle des Vaters in der Schule und auf der Kirchenorgel zu übernehmen. Er kommt aber mit der Stiefmutter nicht klar, Missstimmungen im Schulhaus sind die Folge mit Außenwirkung.

Der Rat legt der Wittib nahe, für Ersatz zu sorgen – sprich, einen Lehrer zu heiraten. Der findet sich mit Franz Xaver Pröschl, dem Sohn des Stadtschreibers aus Eschenbach. In einem Schreiben vom 11. Mai 1762 wird bestätigt, „dass er am 12. May hier eintrifft und dass Herr Pröschl gegen Anheurathung besagter Wittib solchen schuel- und organistendienst nunmehro würklich antreten könne“, heißt es dazu bei Zellner.

Was da in Freystadt geschieht, davon wird der 19-jährige Martin – zu dieser Zeit unterwegs unter dem Pseudonym Schwarzendorf – nicht mehr viel mitbekommen haben. Er lebt bereits in Nancy, wo er schon das weltberühmte „Plaisir d’amour“ verfasst hat. Als er 20 Jahre alt ist, wird sein Geburtsort von 600 preußischen Husaren verwüstet, sein Vater stirbt im selben Jahr.

In Freystadt geht das Leben einen gemächlichen Gang, wie er in einem kleinen Landstädtchen im 18. Jahrhundert angesagt war – mit allen Schrecken und Fährnissen, die dazu gehören. 1769 vernichtet eine allzu lange Regenperiode die Saaten, 1774 erhalten die 140 Häuser in der Stadt neue Hausnummern. In Bayern tut sich vieles durch den Wechsel im Herrscherhaus, die bayerische Linie der Wittelsbacher ist ausgestorben, die pfälzische Linie übernimmt und bringt die Pfalz und damit auch Pfalz-Neuburg mit ins Herrschaftsgebiet mit ein; das nahe Hilpoltstein ist plötzlich kein Ausland mehr.

Bayern wird Königreich von Napoleons Gnaden, der Aufbau eines modernen Staates beginnt. In Freystadt zählt man um 1800 140 Häuser und 690 Einwohner, 1802 beginnt die Säkularisation; am 10. Februar eröffnet der Richter von Sulzbürg im Freystädter Kloster dem Guardian die Aufhebung desselben. Alles, was vorhanden ist an Kirchen- und Klosterschätzen ebenso wie an Bier oder Gerste fällt an den Staat. Alle „Ausländer“ im Kloster – Zellner schreibt dazu: „Wie schnell war man bei all der Kleinstaaterei der Zeit Ausländer“ – müssen das Land verlassen. Ein Jahr später wird die völlige Auflösung des Klosters verfügt – ein herber Verlust für die Kommune. Denn damit bleiben auch die Wallfahrer weg; 5000 waren das pro Jahr, die viel Umsatz in die Stadt brachten. 1805 kommt die Spitalverwaltung von Neumarkt zurück nach Freystadt.

Das Ende des 3. Koalitionskrieges mit Österreich im Jahr 1805 bringt zwar Frieden, zugleich aber auch wieder Militärlasten; ein Jahr später wird das Bürgermilitär aufgestellt. Alle Männer ab 21 Jahren müssen einrücken; wer Geld hat, kann für sich einen Ersatzmann schicken. Nach der vernichtenden Niederlage Napoleons im Russlandfeldzug kommt es zu vermehrten Aufständen im französisch besetzten Deutschland. Bayern findet sich an der Seite Preußens in der Koalition gegen Napoleon, dieser wird in der Völkerschlacht bei Leipzig besiegt.

Für das Todesjahr Martinis meldet die Freystädter Chronik viel Regen von Mai bis September. Der Kornpreis steigt, die Ernte ist schlecht. Aus dem nach der Schlacht bei Waterloo besetzten Frankreich kehren viele Soldaten in die Heimat zurück, weshalb Freystadt unter vielen Einquartierungen stöhnt. Auch Martini kehrt heim. Sein letztes Quartier bezieht er auf dem berühmten Père Lachaise.

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