NSU-Prozess: Polizist kann Lieferweg von Mordwaffe nicht erklären
8.10.2014, 16:02 Uhr
Auch am 147. Verhandlungstag hat das Oberlandesgericht München die Rätsel um eines der wichtigsten Beweismittel im NSU-Prozess nicht lösen können – die Mordwaffe vom Typ „Ceska“. Mit ihr soll der „Nationalsozialistische Untergrund“ alle neun seiner fremdenfeindlichen Morde begangen haben. Im Gegenteil: Bei der Verhandlung am Mittwoch wurde eher unklarer, durch welche Hände die Waffe ging, bis sie in Jena ankam und dann an Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt übergeben wurde.
Als Zeuge hörte das Gericht einen Kriminalbeamten aus dem Schweizer Kanton Bern. Dass die „Ceska“ aus der Schweiz stammt, gilt der Bundesanwaltschaft als gewiss. Sie wurde vom Hersteller in Tschechien an den Schweizer Waffenhändler Jan Luxik geliefert, der sie an einen weiteres Waffengeschäft, Schläfli & Zbinden, weiterverkaufte. Als bewiesen gilt außerdem, dass einer der Angeklagten im NSU-Prozess, Carsten S., die Pistole später von dem Betreiber eines Szeneladens in Jena in Empfang nahm, dann dem wegen Beihilfe angeklagten Ralf Wohlleben präsentierte und an Mundlos und Böhnhardt übergab. Das hatte S. zu Beginn des Prozesses vor eineinhalb Jahren gestanden.
Bis heute ist dagegen nicht beweisbar, was dazwischen mit der Waffe passierte. Schläfli & Zbinden habe sie per Postversand an einen Schweizer Privatmann geschickt, der sie bei der Post abgeholt und am Schalter bezahlt haben soll. Das habe der vermeintliche Kunde zwar bestritten, aber das heiße nicht, „dass das stimmt“, sagte der Berner Ermittler. Vielmehr soll er die Waffe an einen weiteren Schweizer Staatsbürger weitergegeben haben, der das aber auch bestreite.
Dass die Ermittler – und jetzt auch das Gericht – so hartnäckig an dieser Spur festhalten, liegt an zahlreichen Merkwürdigkeiten und Indizien. Einer der beiden Schweizer habe zwei Jahre in Thüringen gelebt und sei mit einem Jugendfreund von Uwe Böhnhardt befreundet. Der Beamte schilderte außerdem, wie schwierig es gewesen sei, diesen Mann zu vernehmen.
Er habe immer wieder Gedächtnislücken geltend gemacht, die er damit begründet habe, derart viele Waffen gekauft, verkauft oder getauscht zu haben, dass er sich an Einzelheiten nicht mehr erinnern könne. Immerhin habe er noch gewusst, dass er einmal in Deutschland festgenommen wurde und die deutschen Polizisten eine Pistole in seinem Auto fanden, wobei er aber sogleich hinzugefügt habe, er wisse nicht mehr sicher, um was für eine Waffe es sich da gehandelt habe.
Als dann die Verteidiger von Ralf Wohlleben den Polizisten befragten, offenbarte sich eine weitere Unklarheit. Rechtsanwalt Olaf Klemke konfrontierte ihn mit Aktenmaterial über ein Ermittlungsverfahren gegen die Waffenhändler Schläfli & Zbinden. Auch da ging es um Waffenlieferungen per Postversand an Empfänger, die bestritten, die betreffenden Waffen erhalten zu haben. Davon habe er nichts gewusst, sagte der Ermittler. Für die Wohlleben-Verteidigung ist der Beschaffungsweg der Waffe zentral, denn daran hängt die Frage, ob ihr Mandant tatsächlich wissentlich die Mordwaffe organisiert hatte und ihm damit Beihilfe zum Mord nachgewiesen werden kann.
Wohl auch deshalb lässt das Gericht nicht locker. Am Donnerstag geht es wieder um die „Ceska“. Als Zeuge ist dann ein Staatsanwalt aus der Schweiz geladen.
Wehrsportgruppen-Hofmann spricht NSU-Anwälte an
Unterdessen hat am Rande des Prozesses der frühere Chef der „Wehrsportgruppe Hoffmann“, Karl-Heinz Hoffmann, am Mittwoch vor dem Gebäude des Oberlandesgerichts München zwei Anwälte aus dem NSU-Verfahren angesprochen. Mit dem Nebenklage-Vertreter Adnan Menderes Erdal tauschte er Visitenkarten aus. Die Verteidigerin des wegen Beihilfe mitangeklagten Ralf Wohlleben, Nicole Schneiders, wies seine Bitte nach einem Kontakt zurück.
Hoffmann gilt in der rechtsextremen Szene als Gallionsfigur. In einem Buch über den „Nationalsozialistischen Untergrund“ behauptet er, die zehn Morde des Trios seien das Werk einer Geheimdienstverschwörung. Erst vor wenigen Tagen hatte er mit einer Anzeige zum Oktoberfest-Attentat im Jahr 1980 Schlagzeilen gemacht: Er bezichtigte einen ihm bekannten Neonazi der Mittäterschaft. Für die Justiz gilt bisher ein damals 21-Jähriger Mann als Alleintäter, der ein Anhänger von Hoffmanns „Wehrsportgruppe“ war und bei dem Anschlag selber ums Leben kam.
Am Dienstag war im Zuge des Prozesses bekanntgeworden, dass das NSU-Trio sich offen in der Chemnitzer Neonaziszene bewegt haben soll. Möglicherweise bestand auch Kontakt zu der inzwischen verbotenen Organisation "Blood & Honour".
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