NSU-Prozess: Zschäpe und Wohlleben verlangen Aussetzung

8.10.2015, 10:29 Uhr
Wohlleben und Zschäpe wollen die Aussetzung des Prozesses durchsetzen.

© dpa Wohlleben und Zschäpe wollen die Aussetzung des Prozesses durchsetzen.

Der Münchner NSU-Prozess ist am Donnerstag erneut ins Stocken geraten. Die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe und der wegen Beihilfe zum Mord mitangeklagte Ralf Wohlleben verlangten die Aussetzung des Verfahrens.

Das bedeutet, dass der Prozess von vorn begonnen werden müsste. Bundesanwaltschaft und mehrere Nebenkläger widersprachen. Das Gericht ließ die Entscheidung am Donnerstag offen. Die eigentlich geplante Zeugenvernehmung dreier Kriminalermittler fiel aus.

Einer der drei Wohlleben-Verteidiger, Wolfram Nahrath, begründete den Vorstoß mit der Krise um die erfundene Nebenklägerin "Meral Keskin" und die nach wie vor ungelösten Probleme der Zschäpe-Verteidigung. Die beeinträchtigten auch die «prozessuale Position» seines Mandanten.

Wohlleben will Haftentlassung

Außerdem verlangte Nahrath "dienstliche Erklärungen" des Gerichts über die Zulassung eines nicht existierenden NSU-Opfers als Nebenklägerin zum NSU-Prozess. Dieselbe Forderung hatten am Vortag bereits drei der vier Zschäpe-Anwälte erhoben.

Nahrath beantragte, den Haftbefehl gegen Wohlleben aufzuheben. Zschäpe und Wohlleben sind seit fast vier Jahren inhaftiert. Zschäpe ist in dem Verfahren wegen mutmaßlicher Mittäterschaft an den Verbrechen des NSU angeklagt, darunter die Serie von zehn Morden und zwei Sprengstoffanschläge.

Wohlleben muss sich wegen des Vorwurfs der Beihilfe zum Mord verantworten, weil er die Pistole beschafft haben soll, die bei neun der zehn NSU-Morde verwendet wurde.

Zschäpe ließ ihren vierten Anwalt, Mathias Grasel, erklären, dass sie sich dem Antrag der Wohlleben-Verteidigung anschließe.

Für die Bundesanwaltschaft widersprach Staatsanwalt Jochen Weingarten mit der Begründung, Zschäpe werde nach wie vor "adäquat verteidigt". Das gestörte Vertrauensverhältnis zu ihren Anwälten Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm kommentierte er mit den Worten, es sei "absurd, die Angeklagte könnte durch ihr Kommunikationsverhalten das Verfahren torpedieren".

Verhandlung unterbrochen

Mehrere Anwälte von NSU-Opfern verwiesen darauf, ihre Mandanten müssten im Fall eines Neustarts erneut als Zeugen aussagen, was "erhebliche Belastungen bis hin zur Retraumatisierung" nach sich ziehen könne. Das habe in vergleichbaren Fällen auch das Bundesverfassungsgericht so gesehen.

Am Mittag unterbrach das Gericht die Verhandlung. Für kommende Woche hat der Senat drei Verhandlungstage geplant. Als Zeugen sollen mehrere Kriminalbeamte über die Auswertung von Karten und Ausspähnotizen befragt werden, die in den Hinterlassenschaften des NSU-Trios gefunden wurden. Außerdem soll die Vernehmung eines früheren Anführer der rechtsextremen Szene in Thüringen fortgesetzt werden.