17. Juni 1966: Tief im Wohnungsbau

17.6.2016, 07:10 Uhr
17. Juni 1966: Tief im Wohnungsbau

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Trotzdem hofft die Stadt zuversichtlich, daß bis 1970 mehr als 15.000 neue Wohnungen errichtet und damit die dringendsten Wünsche der Bevölkerung erfüllt werden können.

Drei Gründe nannte Dr. Thoma dafür, daß es auf dem Bau nicht mehr so aufwärts gegangen ist wie früher: den niedrigen Überhang von halbfertigen Häusern mit nur 4814 Wohnungen an der Jahreswende 1964/65, das schlechte Wetter im vergangenen Sommer und den Wegfall steuerlicher Begünstigungen, der sich vor allem beim freifinanzierten Wohnungsbau empfindlich bemerkbar gemacht hat. Mit seiner schwächeren Leistung steht Nürnberg nicht allein, den auch andere Städte im Bundesgebiet haben langsamer treten müssen.

Von diesem Jahr verspricht sich der Stadtrat wieder ein besseres Ergebnis, obschon er kürzlich in unserer Zeitung lesen mußte, daß die Oberste Baubehörde in München die Staatszuschüsse um 2,4 Millionen kürzen will. Oberbürgermeister Dr. Urschlechter hat auf einen offiziellen Protest beim bayerischen Innenministerium verzichtet, weil er noch an Sondermittel glaubt. "Wir sind immer wohlwollend behandelt worden, daher möchten wir auch jetzt annehmen, daß der soziale Wohnungsbau stark gefördert wird", erklärte der Sozialreferent.

Die Nürnberger hoffen vor allem, daß viele Staatszuschüsse in ihren neuen Stadtteil Langwasser fließen, in dem 1965 gut 800 "Wohnungseinheiten" fertig wurden und über 1.000 im Bau waren. Der Oberbürgermeister hat Bundeswohnungsbauminister Ewald Bucher zu einem Besuch der größten Baustelle Nürnbergs im November eingeladen, bei dem dem Gast alle Sorgen vorgetragen und – natürlich – auch um Geld angegangen werden soll.

Trotz der unsicheren Zukunftsaussichten kann sich die Baubilanz der Nachkriegszeit sehen lassen: in 20 Jahren sind 104.815 neue Heime errichtet worden. Die öffentlich geförderten Wohnungen (für 2600 dieser Art wurden 1965 mehr als 42 Millionen DM Staatsmittel aufgewendet) treten immer stärker in den Vordergrund; ihr Anteil an der gesamten Bautätigkeit machte 66,9 v. H. aus, womit Nürnberg weit über dem Bundesdurchschnitt mit 40 v. H. liegt. Allerdings können diese Zahlen auch mit einiger Wehmut betrachtet werden, denn offenbar besitzen immer weniger Privatleute genügend Geld, um auf eigene Faust zu bauen.

Während die Bautätigkeit nachläßt, steigen die Mieten unablässig. In geförderten Mietwohnungen haben sie bereits die stattliche Spitze von 2,80 DM pro Quadratmeter erreicht. Aus diesem Grunde bitten immer mehr Bürger um Wohngeld; während 1964 nur 2.980 Anträge eingereicht worden sind, waren es im letzten Jahr schon 8.779. Gegenwärtig liegen 3.000 Anträge beim Amt für Wohnungsbau- und Siedlungsförderung, von denen der älteste erst im April gestellt worden ist. Die Mietzuschüsse von mehr als 1,7 Millionen DM lagen 1965 doppelt so hoch wie im Jahr zuvor.

"Der soziale Wohnungsbau muß im bisherigen Umfang fortgesetzt werden, wenn der größte Bedarf in den nächsten Jahren befriedigt werden soll!" Zu dieser Ansicht gelangten die Sprecher aller Rathaus-Parteien. Für die SPD äußerte Hans Batz die dringende Bitte an den Staat, die zugesagten Mittel für 1966 rechtzeitig zuzuweisen. Geschehe dies nicht, so müsse die weitere Entwicklung von Langwasser mit einigen Fragezeichen versehen werden.

Die CSU knüpft große Erwartungen an den neuen Stadtteil, indem sich – wie Erich Wildner sagte – nach langer Anlaufzeit endlich etwas rührt. Wildner forderte die Behörden auf, den Bau von Dreizimmerwohnungen mehr Aufmerksamkeit zuzuwenden als den Zweizimmerheimen, weil danach viele junge Ehepaare streben.

Für die FDP bedauerte Werner Lippert, daß in Langwasser "zu wenig Kaufeigentumswohnungen errichtet werden". Die Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft der Stadt Nürnberg (WBG) solle dem Beispiel anderer Unternehmen folgen und solche Eigentumswohnungen ohne große Anzahlung und ohne Eigenkapital anbieten.

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