18. Januar 1968: Stück Preßsack für einen Scheck

18.1.2018, 07:00 Uhr
18. Januar 1968: Stück Preßsack für einen Scheck

© Ulrich

Wer seine Brieftasche vergessen hat und mit den Blankoformularen einen Einkaufsbummel unternimmt, dem werden trotzdem seine Wünsche erfüllt: fast überall wird er höflich bedient, und anstandslos darf er auch seine Waren mitnehmen. Der bargeldlose Zahlungsverkehr gibt dem Scheckbesitzer obendrein noch das angenehme Gefühl, daß er als besonders vertrauenswürdiger Kunde angesehen wird.

Nur in den wenigsten Fällen stößt die werbewirksame Methode der Geldinstitute auf eisige Ablehnung. Der Grund: es hat sich noch nicht überall herumgesprochen, daß die Banken und Sparkassen jeden ausgestellten Scheck bis zu 200 Mark einlösen.

18. Januar 1968: Stück Preßsack für einen Scheck

© Ulrich

Wir haben einmal die Probe aufs Exempel gemacht und sind auf Einkaufstournee gegangen – ohne einen Pfennig in der Tasche zu haben. Wir: zwei NN-Redakteure und ein Fotograf. In der Marien-Apotheke betrachtet Helferin Marika G. (20) neugierig die Scheckkarte. "Das weiß ich nicht, ob ich das machen kann", gesteht sie mit zweifelndem Augenaufschlag. "Welche Bank ist das? Ach ja, ..." Trotzdem muß sie sich Rückendeckung von ihrem Chef holen. Erst als ihr Dr. Gerhard N. "grünes Licht" gibt, dürfen wir Zahnpasta, Kopfwehtabletten und Hustenbonbons für 8,10 DM mitnehmen. Und noch eins ist möglich: selbst die Pille gibt es mit Scheck, vorausgesetzt, daß man ein Rezept vorlegen kann…

Aus anderem Holz ist der Besitzer des Kiosks an der Ecke Lorenzer Straße/Königstorgraben geschnitzt. "Ich lehne das ab", beharrt Max P. (76) und nennt sofort auch den Grund für seine Haltung. "Was der Bauer nicht kennt, frißt er nicht", sagt er eindeutig. Die Zeitungen, die er feilbietet, haben über die Scheckkarte ausführlich berichtet. Trotzdem ist er nicht davon abzubringen: "Das ist mir völlig neu. Mit der Sache muß ich erst vertraut sein. Dann vielleicht".

Ein paar Schritte weiter. Die Laune des Verkäufers in einem Radio- und Fernsehgeschäft verschlechtert sich zusehends, als er eine Batterie für 1,20 DM gegen einen Scheck hergeben soll. "Was, Sie haben nicht so viel Bargeld? Augenblick bitte, da muß ich mal fragen". Wenig später kommt er zurück. "Das geht wirklich", meint er erleichtert. Die gleiche Vorsicht begegnet uns auch in einem nahen Kaufhaus. Die Dame an der Kasse verlangt nach der Aufsicht, und die Kollegin reicht die Verantwortung an den Abteilungsleiter weiter. Ergebnis: keine Bedenken. Zufrieden schieben wir das Scheckformular über den Tresen und stecken dafür ein Paar Nylonstrümpfe ein. Einige Hausfrauen verfolgen mit sichtbarem Kopfschütteln das seltene Geschäft. Na so was…

Nach zwei Stunden geben wir den Bummel auf. In unserer Tragetasche befinden sich nur Kleinigkeiten: Knöpfe, Reißverschlüsse, Spielkarten, Campingartikel, Haushaltsgeräte und ein halbes Pfund Preßsack, das wir in einer Metzgerei eingekauft hatten. Nur in einem Tabakgeschäft wurde uns unser Wunsch nicht erfüllt. „Ich brauche das Bargeld“, meinte Frau Elisabeth H.. "Bis der Scheck von der Bank gutgeschrieben wird, vergehen zwei Tage. Und da ich meine Waren auch sofort bezahlen muß, sammeln sich beträchtliche Sollzinsen an, wenn das Beispiel Schule macht." Nur in begründeten Ausnahmen will sie eine Scheckkonzession machen.

Das Ergebnis unserer Rundreise war ermutigend. Wer zufällig einmal "blank" ist und seine Wunderkarte griffbereit hat, braucht nicht zu hungern. Selbst in Gaststätten und Cáfes bekommt er keine Schwierigkeiten. Die Geldinstitute sind der Meinung, daß in ein paar Wochen niemand mehr Anstoß an einer Scheckkarte nimmt, da dann die neue Methode überall bekannt ist.

Eines ist uns jedoch aufgefallen. In allen Geschäften, in denen wir gestern bargeldlos einkauften, wurde nicht nachgeprüft, ob Kontonummer und Unterschrift auf Scheck und Scheckkarte übereinstimmten und die Nummer der Scheckkarte auf der Rückseite des Schecks auch vermerkt war. Diese Vorsicht sollte jedoch jeder Verkäufer walten lassen, denn ein Freibrief für bedingungsloses Vertrauen ist die "Masche" auch nicht.

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