1961: Grießpudding für Al Capone

12.2.2011, 13:52 Uhr
1961: Grießpudding für Al Capone

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Der ferne Verwandte, der zusammen mit seiner Lebensgefährtin kurzfristig bei Frau Steiner untergetaucht war, war niemand anderes als der „deutsche Al Capone“, Bernhard Kimmel. Zu Tode erschöpft und des ewigen Versteckspielens überdrüssig, gab dieser schließlich nach. Schon wenig später klickten bei ihm und seiner Freundin Mathilde Dohn die Handschellen.

Den Rest kann man der NN-Ausgabe vom 14. Februar entnehmen: „,Al Capone‘ stellt sich der Polizei – Eine aufregende Verbrecherjagd, an der rund 1000 Beamte beteiligt waren, ist zu Ende.“ Was die Zeitung wohlweislich verschwieg war, dass sich die Ermittler von Kimmel oftmals nach Strich und Faden an der Nase hatten herumführen lassen. Der zuständige Staatssekretär im Innenministerium bekannte daher auch freimütig, die Fahndung sei „kein Glanzstück“ gewesen.

Allerdings war der Gesuchte auch kein alltäglicher Verbrecher. Der in Lambrecht in der Pfalz aufgewachsene Bernhard Kimmel, zum Zeitpunkt seiner Verhaftung 25 Jahre alt, war bereits früh auf die schiefe Bahn geraten. 1957 gründete er mit einigen Freunden die „Kimmel-Bande“ (später von der Regenbogenpresse zur „Al-Capone-Bande“ hoch stilisiert), die zunächst mit Brandstiftungen, dann mit spektakulären Einbrüchen in Banken und Sparkassen von sich reden machte. Weil sämtliche Mitglieder tagsüber bürgerlichen Berufen nachgingen, konnte die Bande lange Zeit unerkannt agieren. Kimmel zum Beispiel war gelernter Tuchweber und wurde von seinen Arbeitskollegen als ruhig und verträglich sowie außerordentlich hilfsbereit beschrieben. Was ihm und seiner Bande schließlich zum Verhängnis wurde, war die Hitzköpfigkeit eines betrunkenen Bandenmitglieds, welches in der Neujahrsnacht 1960/61 einen Hüttenwart erschoss.

Dies war der Auslöser für eine Großfahndung, in dessen Verlauf nahezu sämtliche Mitglieder der Bande festgenommen werden konnten. Lediglich Kimmel und seine Lebensgefährtin Mathilde Dohn, von der Presse als „Revolver-Tilly“ tituliert, schafften es, sich für längere Zeit im Pfälzer Wald versteckt zu halten, bis auch sie schließlich den Fahndern ins Netz gingen und in Untersuchungshaft kamen. Insgesamt hatte der Trupp bis 1961 ca. 150000 DM erbeutet.

Die Gesetzeshüter hatten jedoch den Freiheitsdrang des ehemaligen Bandenführers unterschätzt. Als Kimmel und Dohn am 9. Februar 1961 während einer Fahrt durch den Wald mit ihrer Polizei-Eskorte eine Pause einlegten, verlangte der scheinbar fürsorgliche Liebhaber, dass man ihm die Handschellen abnehmen möge, damit er seiner Freundin seinen Mantel umlegen könne. Als diesem Wunsch Folge geleistet wurde, sprang er vollkommen unerwartet einen Abhang hinunter zu einem Waffenversteck und lieferte sich mittels des dort untergebrachten „Instrumentariums“, eine wilde Schießerei mit seinen Bewachern, in deren Verlauf auch „Revolver-Tilly“ entkommen konnte.

Nun begann eine Großfahndung nach dem Pärchen, welches der Polizei jedoch ein ums andere Mal ein Schnippchen schlagen konnte. Erst der harte Winter des Jahres 1961 (bzw. die bereits erwähnte „Pudding-Episode“) zwang das Paar schließlich zur Aufgabe. Kimmel wurde zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt, bevor er 1970 wegen guter Führung vorzeitig entlassen wurde. Zu dieser Zeit war der begabte Selbstdarsteller längst ein Medienstar geworden. Bereits 1969 war seine Geschichte verfilmt worden, in den kommenden Jahren sollten noch ein Mundart-Theaterstück und ein Dokumentarfilm folgen. Kimmel freundete sich mit prominenten Kulturschaffenden wie Martin Walser an und war ein gern gesehener Gast auf Partys.

Als sein Ruhm allmählich zu verblassen begann, nahm er aus Geldnot seine Verbrecherkarriere jedoch wieder auf. Bereits 1975 wurde er verdächtigt, einen Einbruch in eine Bank in Trebur verübt zu haben. 1981 lieferte er sich bei einem nächtlichen Einbruch in eine Sparkasse in Bernheim eine Schießerei mit der Polizei, bei der ein Beamter getötet und ein weiterer querschnittsgelähmt wurde. Diesmal kam Kimmel erst nach 22 Jahren wieder aus dem Gefängnis frei. Reue für seine Taten zeigte Kimmel kaum. Bis heute gefällt er sich in Interviews als Opfer der Gesellschaft und der zeitlichen Umstände.

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