20. April 1965: Ostern in der Stadt

20.4.2015, 07:00 Uhr
20. April 1965: Ostern in der Stadt

© NN / Gertrud Gerardi

Aber sie nahmen die Kapriolen eines launischen April nachsichtig und gelassen hin, und ließen sich im übrigen die Laune nicht verderben; sie feierten Ostern zu Hause mit ihrer Familie, gingen mit Bekannten aus, besuchten Ausstellungen, Kinos und Theater und genossen die Muße ihrer arbeitsfreien Tage.

Trotz Regen und Kälte erlebte die Stadt aber auch einen beträchtlichen Zustrom an Touristen, die sich von der Unbill des Wetters nicht abhalten ließen, die Sehenswürdigkeiten Nürnbergs zu bestaunen.

Am Abend des Karsamstag noch hatte die Innenstadt ein trostloses Bild geboten: die wenigen Fußgänger auf den Straßen suchten möglichst schnell das Trockene zu erreichen; die Fahrzeuglenker hatten es offenbar auch eilig, nach Hause zu kommen. Verschiedene Lokale hatten geschlossen, die anderen waren teilweise sehr schwach besetzt. Auch tagsüber hatte kein „wildes Treiben“ geherrscht; vielmehr hatte man den Eindruck, daß ein großer Teil der Bevölkerung den Tag zwischen Karfreitag und dem Osterfest in gewisser Hinsicht zurückhaltend beging. In den katholischen Kirchen versammelten sich am Abend viele Gläubige zur Feier der Osternacht.

Als am Ostersonntag der Morgen dämmerte, kamen evangelische Christen aus dem Nürnberg-Fürther Raum zu einem gemeinsamen deutsch-amerikanischen Gottesdienst im Stadion zusammen. Busse der amerikanischen Armee brachten die Teilnehmer kostenlos von verschiedenen Treffpunkten in den beiden Städten hinaus in die große Sportarena, die auch schon in den Vorjahren Schauplatz solcher Veranstaltungen war. Am Vormittag besuchten viele Nürnberger Christen die Gotteshäuser ihrer Konfessionen, in denen feierlich der Auferstehung Christi gedacht wurde.

Zum Teil predigten die Geistlichen in überfüllten Kirchen

Während die Gläubigen noch bei den Gottesdiensten verharrten, ergriffen die Touristen Besitz von der Innenstadt. Bevorzugte Ziele waren der Hauptmarkt, die Lochgefängnisse, das Altstadtmuseum im Fembohaus, das Albrecht-Dürer-Haus, die Burg und später, als die Gottesdienste beendigt waren, auch die Kirchen. Um die Mittagszeit war der Hauptmarkt von parkenden Wagen nahezu blockiert, während ihre Besitzer und die Mitfahrer mit Passanten unter dem Vordach des Rathauses zusammenstanden, um sich vor einem unvermutet niederpeitschenden Schauer in Sicherheit zu bringen, der sie bei der Besichtigung überrascht hatte und ihnen keine Zeit mehr ließ, ihre Fahrzeuge zu erreichen.

Die Nürnberger selbst wagten sich erst hinaus, als am Nachmittag ein kräftiger Westwind die Wolken auseinanderblies und die Sonne aufmunternd herunterblinzelte. Zu den Kindern war der Osterhase bereits am Vormittag gekommen; daß er seine Überraschungen vielleicht in der Badewanne versteckte statt hinterm Hollerbusch, tat der Freude fast gar keinen Abbruch. Und jetzt, am Nachmittag, ging's hinaus zum Familienspaziergang – in den Tiergarten etwa, den sich auch viele Auswärtige nicht entgehen ließen, in den Stadtpark, um die beiden neuen Schwäne zu bewundern, auf die Wöhrder Wiese, an den Silbersee, in den Burggarten, in die Stadt zum Schaufensterbummel oder auch einfach „um den Block“, weil dem Wetter ja doch nicht zu trauen war.

Einige Unentwegte stürzten sich sogar – per Tret-, Ruder- oder Elektroboot – in die ansehnlich gekräuselten Fluten des Dutzendteichs, und ein paar hundert Meter weiter kamen die Schausteller am Frühlingsfest doch noch auf ihre Kosten, denn allmählich füllten sich auch hier die Straßen zwischen Buden, Bierzelten und Fahrgeschäften.

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