20. Februar 1969: Ein Besuch aus Hanoi

20.2.2019, 07:00 Uhr
20. Februar 1969: Ein Besuch aus Hanoi

© Bauer

Gestern im Auditorium maximum der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät in Nürnberg ging es allerdings um die Politik. Die nordvietnamesischen Sprecher verdammten das militärische Engagement der Amerikaner in scharfen Worten und vertraten die Auffassung, daß nur der völlige Rückzug der Amerikaner ihrem Land den Frieden bringen könnte.

„Hunderte von Lidices“

Die zierliche Generalsekretärin wurde in ihren Anklagen sehr massiv. Sie behauptete, die Amerikaner hätten Hunderte von Lidices und Oradours geschaffen und betrieben auch jetzt noch wahllos die Bombardierung der Städte in Südvietnam. Dies sei ein himmelschreiendes Verbrechen. Sie erinnerte an die Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse und kam zu dem Schluß, auch die Amerikaner hätten sich solcher Verbrechen schuldig gemacht.

Auf die Friedenschancen in Paris eingehend meinte Madame Tran Thi Dich: „Unser Gegner ist nicht umsonst der US-Aggressor; er bleibt starrsinnig und hinterlistig. Der wahre Frieden kann nur mit echter Freiheit und echter Unabhängigkeit verbunden sein.“

„Märchen der US-Aggressoren“

Die meist jungen Zuhörer spendeten lebhaften Beifall, der wiederholt in rhythmisches Ho-Ho-Ho-Tschi-Minh-Klopfen überging. Kritische Fragen wurden mit Pfiffen bedacht, aber man ließ die Betreffenden ausreden. Die Rot-Kreuz-Delegation bestritt, daß bei der Tet-Offensive des letzten Jahres vier deutsche Ärzte von der Nationalen Befreiungsfront in Hue getötet worden seien und erklärte, dies sei ein „Märchen der US-Aggressoren“ gewesen, „um die eigenen Verbrechen zu vertuschen“. Im Gegenteil sei die „Diszipliniertheit der Truppen der Befreiungsfront in aller Welt bekannt“.

Humanitäre Fragen klangen nur am Rande an. So bat das Präsidiumsmitglied Pham Van Kim um medizinische Ausrüstungen und Medikamente, um Maschinen für die Herstellung von Prothesen, um die Einrichtung von Rehabilitationszentren in seinem Land. Der Sprecher der Hilfsaktion, Walter Diehl, ergänzte, die Hilfsaktion und die Kirchen planten gerade, eine Klinik für plastische Chirurgie in Nordvietnam zu errichten. Nach Absprache mit den Nordvietnamesen forderte er außerdem die Versammelten auf, mitzuhelfen, daß jungen Hanoier Medizinern eine chirurgische Fachausbildung an deutschen Kliniken ermöglicht werde. Dies sei wichtiger als etwa die Behandlung napalmverbrannter vietnamesischer Kinder in deutschen Kliniken.

Nach dem gestrigen sehr politisch akzentuierten Auftritt der Rot-Kreuz-Delegation sollen heute humanitäre Fragen in kleineren Kreisen, so etwa beim Roten Kreuz, bei einem abendlichen Treffen mit Vertretern der Kirchen und anderer Hilfswerke, erörtert werden. Die dreiköpfige Delegation wird außerdem von Oberbürgermeister Dr. Andreas Urschlechter empfangen werden.

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