20. Oktober 1966: „Zwetschgamoh“ mit Beatle-Haar

20.10.2016, 07:00 Uhr
20. Oktober 1966: „Zwetschgamoh“ mit Beatle-Haar

© Gerardi

Sie erinnern daran, daß der weltberühmte Christkindlesmarkt und das Weihnachtsfest vor der Türe stehen. Aber sie erzählen auch ohne Worte dem aufmerksamen Besucher vom Wandel, den sie haben durchmachen müssen. Schließlich sind die kleine Gestalten echte „Kinder ihrer Zeit“, abhängig vom letzten Modeschrei, weil sich die Hersteller dem Publikumsgeschmack anpassen.

Denn ihre Kasse soll – wer verdenkt es ihnen – am Ende stimmen. Deshalb hängen junge „Zwetschgamännla“-Generationen an Laternenpfählen, als ob sie soeben zehn Maß Weihnachtsbock hinter die Drahtbinde gegossen hätten. Sogar langmähnige Beat-Musiker fehlen nicht im großen Sortiment.

20. Oktober 1966: „Zwetschgamoh“ mit Beatle-Haar

© Gerardi

Freilich, noch immer wird die Auswahl von solchen Figuren angeführt, die über ihren Leib aus Nüssen, Rosinen, gedörrten Zwetschgen und Feigen die bäuerliche Tracht tragen. Der „Moh“ hüllt sich in ein buntes Wams, in der Hand hält er den Haselstecken. Ihm zur Seite steht das Weiblein im weiten Krepprock, mit bunter Schürze und dem Kopftüchlein, aus dem ein runzeliges Gesichtchen schaut. Manchmal sitzen sie gemeinsam auf einer Bank hinter dem grünen Busch, geradeso wie Austrägler, die auf dem sonnenbeschienen Ruheplatz in alten Erinnerungen kramen oder stumm über ihr Leben nachdenken.

Doch dann gibt es auch lustigere Gestalten unter dem Völkchen, das Nürnbergs Ruhm mehren half. Schneidige Jäger stellen mit der Büchse dem kapitalen Rehbock nach. Und wackere Zecher, die offenbar beim Verlassen des Wirtshauses von der frischen Luft bis ins Mark getroffen wurden, erwischen den nächstbesten Laternenpfahl. „Blous d-den M-Mouß-Moußkrouch n-net vörliern!“

Außerdem gibt es Skifahrer, Raucher, Flötenspieler oder – beispielsweise aus dem bräveren weiblichen Geschlecht – „Raumpflegerinnen“ mit Putzeimer und Schrubber. Doch der allerletzte Schrei sind nicht nur in der Schlagerwelt die Beatles. Die Jünglinge aus Liverpool und ihre Nachahmer müssen es sich gefallen lassen, daß sie das Dörrobst-Heer der Nürnberger „Zwetschgamännla“ verstärken. Lang ist das blonde oder schwarze Haupthaar, wachsweich sind getreu dem Vorbild die Knie. Die Hände halten den „Wimmerschinken“, die geliebte Gitarre, die in diesem Fall aus Plastik geformt ist. Yeah, yeah!

„Die sind gelaufen wie die Verrückten.“ Deutlicher könnte sich Else Teubel, die zusammen mit ihrem Mann Günter neben einem branchenfremden Ladengeschäft emsig die Produktion der lustigen Figuren betreibt, den Verkaufserfolg nicht beschreiben. Wenn gerade kein Kunde kommt, malt Günter Teubel im Keller die Gesichter auf die Walnüsse. Seine Frau steckt die Körper von Männlein und Weiblein zusammen und bekleidet sie. Sechs Minuten dauert so ein Geburtsvorgang, die zeitraubende Vorbereitung allerdings nicht eingerechnet.

Eines haben alte und moderne „Zwetschgamännla“ allerdings noch immer gemeinsam: die Lust, in die weite Welt zu wandern. Das Ehepaar Teubel verschickt einen Teil seiner kleinen Figuren sogar bis nach Kanada. Aber auch in Frankfurt, München, Freiburg oder Baden-Baden sind die gebürtigen Nürnberger wohlfeil.

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