21. Juni 1966: Übern kurzen Weg in den Wald

21.6.2016, 07:00 Uhr
21. Juni 1966: Übern kurzen Weg in den Wald

© Gerardi

Der Fränkische Albverein und das Forstamt Nürnberg-Nord haben Zeit und Geld geopfert, um die motorisierten Zeitgenossen anzuregen, ihre Gehwerkzeuge zu gebrauchen. Voller Stolz führte gestern der Hauptwegemeister des Albvereins, Anton Leidinger, die stadtnahen Erholungsgebiete vor, die künftig vielen tausend Menschen Freude und Entspannung bieten sollen. Mit seiner Idee, Parkplätze und Rundwanderwege zu schaffen, ist er schon bestens „angekommen“. Die erste Anlage dieser Art, die vor einem Jahr an der Hauptausfahrt Nürnberg der Autobahn freigegeben worden war, hat starken Anklang in der Bevölkerung gefunden. Bei schönem Wetter nutzen viele die gute Gelegenheit, über'n kurzen Weg in den Wald zu gelangen.

21. Juni 1966: Übern kurzen Weg in den Wald

© Gerardi

Dieses erfreuliche Echo hat die Männer des Albvereins ermutigt, erneut zu Wanderstock, Farbe und Pinsel zu greifen, um der Allgemeinheit ein Geschenk zu machen. Monatelang haben sie den Forst im Norden Nürnbergs durchstreift, große Tafeln und kleine Schilder (Siegfried Jacob und Ludwig Schlegel) bemalt und an den Bäumen aufgehängt.

Der 72jährige Wegemeister Franz Jodel und seine Frau waren tagelang „auf Achse“ und haben markiert, auf daß der Wanderer nicht vom rechten Weg abkomme. Keiner von all den freiwilligen Helfern hat einen Pfennig für sich verlangt, dennoch sind dem Albverein allein Unkosten von 1000 Mark entstanden. Das Forstamt schließlich legte Parkplätze an, wie sie der Autofahrer in der Stadt nicht besser finden könnte; er braucht keinesfalls zu befürchten, daß sein Wagen im Schlamm versackt.

Die frischlufthungrigen Menschen müssen auf den Wanderwegen auch nicht in ganzen Karawanen gehen. „Alle Pfade sind so markiert, daß sie keine Fahrbahn berühren und in einer Richtung zu gehen sind“, erklärt Anton Leidinger und weist darauf hin, daß solcherart eine Gruppe unterwegs sein kann, ohne einer anderen zu begegnen. Die Schilder mit den weißen arabischen Ziffern auf grünem Untergrund entsprechen internationalen Abmachungen, so daß sich ein wanderfreudiger Engländer oder Franzose auch im Nürnberger Steckerlaswald zurechtfindet.

Die Parkplätze im Wald sind keineswegs so versteckt, daß sie nicht zu finden wären: am Haidberg liegen sie rechts von der Bundesstraße 2 an der Brücke über die Autobahn Nürnberg-Würzburg und an der alten Handelsstraße nach Heroldsberg; bei der „Viehtränke“ lassen sich die Wagen an der Forststraße Kraftshof-Heroldsberg abstellen. An beiden Stellen finden die Wanderlustigen in allernächster Nähe eine große Übersichtstafel, auf der die vier Rundwege beschrieben sind. Sie können wählen, ob der Weg über vier oder sieben Kilometer führen soll, ob sie also eine schwache Stunde oder zwei Stunden spazierengehen wollen.

Kurze oder lange Strecke – Anton Leidinger hat in jedem Falle reizvolle Routen ausgewählt. Sie führen auf dem Haidberg in Gebiete mit so originellen Namen wie Hirschensprung, Fünfbucheles-Weg, Rothknöchleins-Weg oder Falscher Grenzweg. Von der „Viehtränke“ bei Kraftshof aus geht es zur Langen Fuhre, Lachfeldeiche, Zwieselbrücke oder zum Irrwald. Der Forst hat nach dem Kriege dafür gesorgt, daß der Wanderer nicht mehr nur dürftige Föhren, sondern auch Laubhölzer zu sehen bekommt.

Für ihre Opfer an Zeit und Geld erwarten die Naturfreunde vom Albverein und Forstbeamten als bescheidene Gegengabe lediglich, daß sich die Gäste nicht wie die Axt im Walde aufführen. Ihre Hoffnungen sind jedoch schon sehr gedämpft, seit sie gestern ein mutwillig zerbrochenes Schild entdecken mußten, daß erst vor ein paar Tagen angebracht worden war. „Das ist eine Gemeinheit“, sagte Anton Leidinger. Diese Meinung teilen mit ihm alle anständigen Menschen.

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