23. August 1966: "Na, da ist eine Frau am Steuer!“

23.8.2016, 07:00 Uhr
23. August 1966:

© Gerardi

Dahinter steht das unausrottbare, aber nachweislich falsche Vorurteil, Frauen seien schlechtere Autofahrer, die "an den Herd" und nicht an Gas- und Bremspedal gehören. Von Gleichberechtigung ist im Heer der PS-Bändiger einstweilen noch recht wenig zu hören.

Dabei brauchen die Damen wirklich keinen Vergleich zu scheuen: sie fahren vorsichtiger als die Männer, sind weit weniger in Unfälle verwickelt, werden höchst selten mit "Schlagseite" ertappt und machen sich auch kaum aus dem Staube, wenn es einmal "gebumst" hat.

23. August 1966:

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Dieses zweifellos gute Zeugnis wird ihnen von der Statistik ausgestellt. In Nürnberg, wo etwa 50.000 von insgesamt 180.000 Führerscheinen in weiblichen Handtaschen stecken, ereigneten sich im vergangenen Jahr 9.828 Unfälle. Unter den 17 909 Beteiligten befanden sich nur 1.397 (7,8 Prozent) Frauen. Obwohl sie fast ein Drittel aller Wagenlenker stellen, gehen auf ihr Konto relativ wenig Zusammenstöße. Ähnlich ist die Situation im Land Bayern. Bei 55.115 Unfällen mit 77.606 Beteiligten registrierte die Polizei 5.300 Frauen (6,8 Prozent). Bei Karambolagen mit tödlichem Ausgang machte ihr Anteil 5,3 Prozent aus.

Nicht ganz so rosig wie die Statistiker sieht Staatsanwalt Othmar Liepold vom Landgericht Nürnberg-Fürth das Verhalten des schwachen Geschlechts hinter dem Steuer. "Zweifellos sind die Frauen defensiv eingestellt", meint der Ankläger, "aber manchmal geht ihre Vorsicht auch zu weit. Das wirkt sich dann oft behindernd auf den übrigen Verkehr aus und führt zu gewagten Überholmanövern." Sein Rat richtet sich an die Adresse der Männer: "Lasst die Frauen nicht nur bei besonderen Anlässen, sondern regelmäßig an das Lenkrad, damit sie praktische Erfahrungen sammeln können."

Bei ihren Auftritten vor Gericht sieht der Staatsanwalt keinen Unterschied zu den männlichen Kollegen: "Die Damen sind mittlerweile zu sehr Kraftfahrer geworden und geben nicht ohne weiteres ihre Schuld zu, weil sie nicht als schlechte Fahrer erscheinen wollen. Da machen sie wirklich keine Ausnahme!" "Weibliche Autofahrer sind nicht schlechter und nicht besser als die Herren der Schöpfung", findet der Leiter der Vekehrsstreifengruppe, Amtmann Richard Kleinschnitz. "Nur wenn sie noch nicht lange einen Führerschein besitzen, macht sich bei ihnen eine gewisse Ängstlichkeit breit, die sich dann im Schleichtempo ausdrückt." Bei Unfällen stürmt gewöhnlich keine fauchende und geifernde Furie aus dem zerbeulten Wagen, sondern ein verdattertes und hilfloses Frauchen.

Erlaubnis für 400.000 Damen

"Wenn es aber einmal kritisch wird", so urteilt der Chef der Verkehrs-Unfallbereitschaft, Amtmann Paul Bastian, "verlieren sie leichter den Kopf und reagieren schlechter." "Nur die besten Erfahrungen" mit Fahrerinnen hat Polizeiobermeister Karl Pilz gemacht. "Man kann mit ihnen besser sprechen, sie nehmen sich mehr Zeit und sind vorsichtiger im Umgang mit Gas- und Bremspedal." Deshalb sähe der Beamte am liebsten "nur Frauen am Steuer."

Das Vorrecht der Männer, Herren über Zeit und Geschwindigkeit zu sein, verblaßt von Jahr zu Jahr mehr: ein Drittel aller Kraftfahrzeuge wird von zarten Damenhänden gelenkt. In der Bundesrepublik bekommen jährlich 400.000 Mädchen und Frauen eine Fahrerlaubnis ausgehändigt. Und ihr Anteil wächst und wächst.

Das hat auch Fahrlehrer Hermann Kohl festgestellt. Unter seinen Füherscheinaspiranten befinden sich im Durchschnitt 40 Prozent weibliche Prüflinge. "Frauen bringen meist ein größeres Interesse als das starke Geschlecht auf. Im theoretischen Teil des Lehrganges sind sie viel fleißiger, was sich auch in der Durchfallquote deutlich zeigt", bekennt der Fachmann. "Allerdings", so schränkt er sein Kompliment ein, "haben sie in der Praxis mit größeren Schwierigkeiten zu kämpfen. Das macht sich auch in der Zahl von Fahrstunden bemerkbar, die um 30 Prozent höher liegt."

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