23. Februar 1967: Ringen um das Niveau

23.2.2017, 07:00 Uhr
23. Februar 1967: Ringen um das Niveau

© Gerardi

Im Schauspielhaus stehen führende Persönlichkeiten in einem harten Ringen um das künstlerische Niveau. Diese Auseinandersetzungen haben in jüngster Zeit zu einer Art von Machtkampf zwischen Generalintendant Karl Pschigode und Oberspielleiter Hesso Huber geführt und starke persönliche Züge angenommen. Oberbürgermeister Dr. Urschlechter bemüht sich persönlich um eine vernünftige Lösung, was schon daraus zu ersehen ist, daß er am 1. Januar das Bühnenreferat in seinen Aufgabenbereich zurückgenommen hat.

Der Theaterausschuß hat die Betroffenen in einer vertraulichen Sitzung angehört, jedoch noch keine Entschlüsse gefaßt. Er wird aber in allernächster Zeit schon Entscheidungen treffen.

Die Krise am Theater hat sich in den letzten Monaten während der Abwesenheit des Generalintendanten durch Krankheit und Erholungsurlaub verschärft. Karl Pschigode beschuldigte nach seiner Rückkehr den Oberspielleiter Hesso Huber, der kommissarisch mit der Leitung des Schauspielhauses beauftragt worden war, er habe diese Gelegenheit ausgenutzt, seine Stellung und Befugnisse auf Kosten des Generalintendanten auszubauen. Der Anhang beider Persönlichkeiten im Schauspielhaus bildet seit längerem schon "Cliquen", die eine ersprießliche Zusammenarbeit unmöglich machen. Das Leistungsniveau mußte unter diesen Umständen zwangsläufig leiden.

Im Kreuzfeuer der Kritik

Als der Oberbürgermeister an der Jahreswende die Verantwortung für die Städtischen Bühnen von Stadtkämmerer Dr. Dr. Georg Zitzmann in seinen Aufgabenbereich zurücknahm, stand das Schauspielhaus schon im Kreuzfeuer heftiger Kritik. Theaterfachleute bemängelten als aufmerksame Verfolger der Aufführungen in langen Jahren die mangelhafte Ausgewogenheit der Spielplangestaltung, der Ensembleführung und des Inszenierungsniveaus. Als aber der Theaterausschuß jetzt tagte, hatten die Kämpfe hinter den Kulissen ihren Höhepunkt erreicht. Mehr denn je überhäuften sich die beteiligten Hauptpersonen - auch vor den Stadträten - mit gegenseitigen Vorwürfen.

Generalintendant Pschigode wiederholte vor dem Ausschuß seine öffentliche Behauptung, am Theater sei "eine Gruppe am Werk, die ihre eigene Suppe kochen und Positionen einnehmen will, denen sie nicht gewachsen ist". Er nannte als führende Akteure den Oberspielleiter Hesso Huber und den Bühnenbildner Peter Heyduck. Pschigode beschuldigte Huber vor allem, daß er nur mit einigen wenigen zusammenarbeite, das übrige Ensemble aber links liegen lasse.

Nicht allen Ansprüchen genügt

Oberspielleiter Hesso Huber äußerte die Überzeugung, nicht alle Schauspieler genügten den Ansprüchen einer Bühne vom Range Nürnbergs. Er warf dem Generalintendanten in diesem Zusammenhang vor, daß er (Huber) bei den meisten Engagements neuer Kräfte nicht gefragt worden sei und von ihrer Verpflichtung erst durch die Presse erfahren habe. Huber gab unumwunden zu erkennen, er wolle sich von einigen Kräften trennen, wenn ihm höhere Verantwortung übertragen würde.

Als dritter im Reigen der verantwortlichen Männer wurde Chefdramaturg Friedrich Bröger von dem Ausschuß gehört. Auf ihm lastet der Vorwurf, daß er bei der Auswahl der Werke für Aufführungen am Schauspielhaus keine glückliche Hand besitze. An Brögers Tätigkeit entzündet sich seit Jahren schon eine heftige Kritik.

Der Theaterausschuß, dem viele dieser Beschuldigungen daher nicht neu waren, entwickelte unterschiedliche Vorstellungen über einen Ausweg aus dieser Krise. Eine Seite verwies auf das Vorbild der Oper, in der seit dem Amtsantritt von Generalmusikdirektor Hans Gierster die früheren Unstimmigkeiten ausgeräumt sind, und forderte einen neuen starken Mann als Oberspielleiter im Schauspiel.

Andere Stadträte möchten jede Härte vermieden sehen, obwohl sie die Äußerungen des Generalintendanten so verstanden hatten, als wolle er sie vor die Alternative stellen: Pschigode oder Huber. Sie betonten, daß eine Lösung gefunden werden müsse, die menschliche Härten ausschließt, zumal der Generalintendant die Bühne nach dem Kriege wieder aufgebaut hat und der Oberspielleiter schon seit 13 Jahren in Nürnberg tätig ist.

Die Diskussion im Ausschuß führte zu keinem Ergebnis; sie soll so bald wie möglich weitergeführt werden. "Es wird sich nicht soviel ändern, wie manche wünschen und andere befürchten", sagte einer der Stadträte hinterher. Der Oberbürgermeister und die Stadträte sind jedoch entschlossen, klare Verhältnisse und Kompetenzen zu schaffen, um einen weiteren Leistungsabfall des Schauspiels zu verhindern.

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