23. Februar 1968: Weiber stürmten das Rathaus

23.2.2018, 07:00 Uhr
23. Februar 1968: Weiber stürmten das Rathaus

© Kammler

Kein Erbarmen kannte der weibliche Elferrat der Alten Großen Nürnberger Karnevalsgesellschaft, der mit lauten Ahaa-Rufen in das Rathaus stürmte und Oberbürgermeister Dr. Andreas Urschlechters angestammten Schreibtisch-Platz einnahm. Militärische Strategie demonstrierten die Damen von der schwarz-weißen „Narhalla“, als sie das Verteidigungs-Kreiskommando in der Erlenstegenstraße besetzten und die wichtige Bundeswehrstelle im Handstreich besiegten.

23. Februar 1968: Weiber stürmten das Rathaus

© Kammler/Helmholz

„Die weitere Verteidigung unserer Position ist zwecklos“, resignierte Oberstleutnant Wilhelm Schoepf, der sich mit seinen zivilen Mannen hinter Tischen und Stühlen verbarrikadiert hatte. Sein verzweifelter Einsatz mit einem zweischneidigen Stanniol-Schwert war vergebens: durch Türen und Fenster drangen die Frauen in die Kommandantur und überwältigten die „Heckenschützen“, die mit Knallerbsen aus allen Rohren schossen.

Im Nu war der Standortälteste gefangengenommen. Bereitwillig nahm er die Kapitulation an und kaufte sich mit einer Bußstrafe frei. Als er, ohne die Präsidentin Hanna Bassing zu fragen, sich zwei Küßchen auf illegale Weise holen wollte, mußte er erneut in die Tasche greifen. Bevor sich die schwarz-weiße Narrenschar verabschiedete, auf weitere Besuchstournee ging und am Abend sich im „Heidekrug“ zum Ausklang der Weiberfastnacht versammelte, durften sich die Frauen bei Wein und Vesperbroten von ihren Strapazen erholen.

Wenig Federlesens macht auch der weibliche Elferrat der AK 04 mit dem Oberbürgermeister. „Heute regieren wir“, sagte kompromißlos Präsident Grete Bohneberg, die Dr. Urschlechter tüchtig die Leviten las und den OB-Sessel in Beschlag nahm. Eine zaghafte Beschwerde fegte sie mit den Worten vom Tisch: „Ach Andres, ich möcht‘ gern wissen, was wir beide uns pfundweise schon vorzuwerfen haben.“ Angesichts der vielen Hausklopfer, die drohend über seinem Haupt zusammenschlugen, räumte Dr. Urschlechter kampflos das Feld, was prompt mit einem Sonderorden belohnt wurde.

Der Einzug ins Rathaus war für den weiblichen AK-04-Elferrat erst der Auftakt für eine lange Reise, die er gestern durch Betriebe und Verwaltungstuben unternahm. Nach einer turbulenten Sitzung am Abend im „Deutschen Hof“ gab er wieder sein Regiment an die angetrauten Narrenkollegen ab, von denen zumindest einige von ihnen dann wider sagen konnten: „Herr im Hause bin ich.“

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