26. April 1965: "Stadt gemeinsamer Begegnung"

26.4.2015, 07:00 Uhr

Zugleich aber gaben die Menschen verschiedenen Alters und unterschiedlicher Herkunft zu erkennen, daß sie bereit sind, Nürnbergs politische Hypothek aus der Vergangenheit mit abbauen zu helfen.Bei einem Empfang der Stadt, der dem offiziellen Auftakt voranging, konnte Oberbürgermeister Dr. Urschlechter mit einem vielfach wiederholten „Herzlich willkommen“ 71 Professoren, Schriftsteller, Journalisten, Pädagogen, Juristen und Ärzte begrüßen. Die prominenten Gäste aus den USA oder aus Israel, aus Bern, Paris, London und Stockholm werden in den nächsten Tagen mit Persönlichkeiten der Bundesrepublik unter den verschiedensten Gesichtspunkten über „Haltungen und Fehlhaltungen in Deutschland“ diskutieren.

Das „Nürnberger Gespräch 1965“ bildet den Auftakt für künftige Kongresse, die alljährlich im Frühjahr stattfinden werden und die Stadt zu einem Zentrum politischer Bildungsarbeit machen sollen. „Unsere Stadt sieht aus alter, jüngerer und neuer Entwicklung eine Verpflichtung, mehr als bisher zur ,Stärkung des demokratischen Bewußtseins' beizutragen“, sagte Oberbürgermeister Dr. Urschlechter am Eröffnungsabend. Es ist daran gedacht, stets führende Wissenschaftler und Publizisten des In- und Auslandes einzuladen, die sich mit soziologischen, politologischen und anthropologischen Fragen auseinandersetzen sollen.

Das Stadtoberhaupt scheute sich nicht, daran zu erinnern, daß der Name Nürnberg durch die nationalsozialistische Gewaltherrschaft und ihre Nachwirkungen in der Weltöffentlichkeit mit dunklen Schatten der Vergangenheit verknüpft ist. Dr. Urschlechter betonte aber auch, wie in den vergangenen 20 Jahren beispielhaft gezeigt worden ist, daß die Bürgerschaft in demokratischer Gesinnung fleißig und zielstrebig sein kann. Nürnberg will nun zu einer „Stadt des gemeinsamen Gesprächs und der gemeinsamen Begegnung werden“.

„Gemeinsam nach dem Willen unserer Stadt heißt: bewußt mit den anderen sprechen, bewußt mit den anderen denken“, betonte der Oberbürgermeister vor den Zuhörern, unter ihnen viele Juden aus dem Ausland. Nürnberg biete freundschaftlich die Hand zu dieser Gemeinsamkeit.

Die Stadt hat sie, wie sich bereits bestätigte, nicht vergebens ausgestreckt. „Es liegt an uns allen, daß diese Nürnberger Gespräche zur Wahrung der Würde und Menschlichkeit beitragen, aber auch gleichzeitig ein ständiger Mittelpunkt demokratischen Denkens und Handelns werden“, erklärte Dr. Urschlechter. Der erste Tag hat schon bewiesen: ein vielversprechender Anfang ist gemacht.

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