27. Februar 1965: Pistole statt Kursbuch

27.2.2015, 07:00 Uhr
27. Februar 1965: Pistole statt Kursbuch

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Die rund 100 Delegierten aus allen Teilen Deutschlands werden auf der Tagung aktuelle Fragen ihres Berufsstandes diskutieren. Unter anderem stehen die von der Gewerkschaft zurückgewiesenen Bestrebungen zur Debatte, der Bahnpolizei den Kombattantenstatus zu geben, d. h. sie im Kriegsfalle wie Soldaten zu behandeln, ferner die Forderung, die Bahnpolizisten in der Besoldung ihren Kollegen von der öffentlichen Polizei gleichzustellen und ihren Uniformen einen zivileren Schnitt zu geben. Die Bahnpolizei, die nach dem ersten Weltkrieg gegründet wurde, als sich die verschiedensten Delikte im Zusammenhang mit den Eisenbahnverkehr zu häufen begannen, ist zur Zeit die einzige Bundespolizei in Deutschland. Die Männer in der blauen Uniform mit dem Koppelschloß und dem großen Stern auf der Dienstmütze haben die schwere Aufgabe, auf dem ganzen Gelände der Bundesbahn nach dem Rechten zu sehen und in den Empfangsgebäuden und auf den Bahnsteigen für Sicherheit und Ordnung zu sorgen.

Gegen lichtscheues Gesindel

Das gilt auch besonders für Güter- und Verschiebebahnhöfe, auf denen sich mancherlei lichtscheues Gesindel herumtreibt, Gewohnheitsdiebe, die sich darauf spezialisiert haben, abgestellte Wagengarnituren nach Brauchbarem zu durchsuchen oder Lagerhallen zu plündern.

In Nürnberg gibt es zwei solche neuralgischen Punkte: den Hauptgüterbahnhof und den Rangierbahnhof, einen der größten Verschiebebahnhöfe Deutschlands. Eine große Hilfe für die Beamten sind in diesem schwierigen Gelände ihre Diensthunde. Dank ihrer scharfen Beobachtungsgabe und ihrer Dressur können sie – vor allem bei Nacht – einen Mann voll ersetzen. Bei Verfolgungen im Labyrinth nächtlicher Güterbahnhöfe mit endlos langen abgestellten Wagen zwischen spärlich erleuchteten Gleissträngen und Lagerschuppen wäre die Arbeit der Bahnpolizisten ohne ihre vierbeinigen Gehilfen sehr oft zum Scheitern verurteilt.

Unter ganz anderen Bedingungen muß sich der Bahnpolizist bewähren, wenn er im Hauptbahnhof Dienst tut: „Unsere Männer stehen hier vor der schwierigen Aufgabe, Belästigungen der Reisenden durch Gammler und Trunkenholde zu vermeiden. Auch das ist Kundendienst“, betont der Dezernent für die Bahnpolizei in der Nürnberger Direktion, BB-Rat Walther Kunstmann.

Freilich ist es für die Beamten nicht immer leicht, störende Elemente auszusondern, auch kann man nur schwer unterscheiden zwischen einem Zecher, der ausnahmsweise über die Stränge geschlagen hat und sich im Wartesaal kurz aufs Ohr legte, weil ihm sein letzter Zug davonfuhr und einem üblen Penner; doch sind es meist die gleichen Randalierer, die die Ruhe im Bahnhof stören. Die Bahnpolizei, die hier das Hausrecht ausübt, erfaßt karteimäßig alle Leute, die aus irgendwelchen Gründen schon einmal ausgewiesen werden mußten. Fallen sie erneut unangenehm auf, bekommen sie „Bahnhofsverbot“. Fügen sie sich auch dann nicht, so werden sie wegen Hausfriedensbruch angezeigt. Im vergangenen Jahr waren das 760mal der Fall.

 

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