27. Januar 1965: Sie legen die Männer aufs Kreuz

27.1.2015, 07:00 Uhr
27. Januar 1965: Sie legen die Männer aufs Kreuz

© Eißner

Bei zwölf Trainingsabenden, die grundsätzlich für einen solchen Kurs erforderlich sind, ist gegenwärtig Polizeiobermeister Theo Schmitt, ein Hüne von Gestalt, der „Dumme“. Trotzdem zollt er seinen Schülerinnen immer wieder Beifall. Beim Training fällt der Polizeiobermeister oft genug auf den Rücken, wenn die Verteidigerin ihm gezeigt hat, was eine Harke ist – aber er, der Lehrmeister, freut sich mit ihr. Sie hat es richtig gemacht. An jedem Donnerstagabend kommen die Anhängerinnen des Judo, die aus dem japanischen Jiu-Jitsu entwickelte Form der Selbstverteidigung, in der Turnhalle des Instituts der Englischen Fräulein am Keßlerplatz zusammen, ziehen ihre Kimonos an – manche auch Bluejeans plus Oberhemd vom Vater oder Bruder –, und trippeln zum Ort der Handlung.

Dort wird eine besinnliche Minute gehalten (Kniesitz, Kopf nach unten), und dann geht es los: den Lockerungsübungen folgt der Versuch, den nächsten aufs Kreuz zu legen. Der 43jährige Meister Schmitt von der Verkehrsstreifengruppe der Nürnberger Polizei, solide 88 Kilo schwer, hat bei solchen Hinterrücks-Anfechtungen schon sein blaues Wunder erlebt: selbst zartbesaitete Evas, dafür aber „katzenhaft veranlagt“ und reaktionsfähig, machten dem Herrn Polizisten sehr schnell das Leben zur Hölle.

27. Januar 1965: Sie legen die Männer aufs Kreuz

© Eißner

Mit Saltos, Hüft- und Schulterwurf bugsierten sie ihn dorthin, wohin er es sie gelehrt hatte. Theo Schmitt, ein ausgebildeter Judomann beim Polizeisportverein München, strahlt über solche Erfolge. Auf Behendigkeit kommt es an, Konzentration und Selbstvertrauen. Die neumodische Begeisterung für diesen Sport hat ihren Ursprung nicht nur in den Anrempeleien und peinlichen Belästigungen, denen immer wieder Mädchen und Frauen auf dem abendlichen Heimweg (oft auch in früher Stunde nach dem Nachtdienst) ausgesetzt sind, sondern auch in den „Fernseh-Krimifilm-Vorbildern“, in denen gestandene Damen einen Adler von Mann klipp und klar zu einem Zaunkönig machen. Sie hatten ihn mit einem kurzen Wurf, schräg-quer, fallen lassen.

Geistesgegenwart ist alles

Entschlußkraft und Willensstärke wird von den Judo-Mädchen verlangt, die den Armhebel plus Würgegriff ansetzen, um den Gegner schließlich zu besiegen – und sie tun, blitzeschnell, was sie können, ohne ihm, das ist oberstes Gebot, zu schaden. „Im Bodenkampf zeigen die geübten Kämpferinnen schließlich, daß sie sich nicht geschlagen geben“, sagt DJK-Sportlehrerin Elisabeth Winkel, die jedes Mal dabei ist, wenn die Verteidigerinnen auf die Matte gehen.

Judo wird gegenwärtig vielerorts gelehrt. Es ist ein Sport, der nicht nur Männer angeht. Denn zu klarem, ruhigem Überlegen das hierbei wichtiger ist als Kraft, sind auch Frauen befähigt. Sieger wird, wer die größte Geistesgegenwart beweist – und alle Hebelgriffe beherrscht. Blitzschnell, aber dann . . . „Mir soll jetzt nur mal einer dumm kommen!“, stößt eine der jungen Kämpferinnen diese Kurses aus, den das Caritas-Pirckheimer-Haus im Rahmen seines Freizeitprogrammes hält, „dann liegt er aber flach! Nur: eine Matte als Unterlage suche ich ihm nicht aus.“ – „Uah“, heißt der Ruf, wenn´s geklappt hat. Uah!

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