27. Juli 1967: Wohnen mit reizvollen Aussichten

27.7.2017, 07:00 Uhr
27. Juli 1967: Wohnen mit reizvollen Aussichten

© Gerardi

Gelegenheit, Taufpate zu sein, bot sich dem Bauhof-Chef gestern, als im Künstlerhaus der Bebauungs-Entwurf für den städtebaulich sehr reizvollen Flecken am künftigen Wöhrder See vorgestellt wurde. Ab 1968 entstehen dort, wo jetzt noch der Schornstein von der einstigen Braustätte zeugt, 620 Wohnungen verschiedener Größe, Hotel, Restaurant, Ladenzentrum und See-Café. Die Baukosten betragen voraussichtlich rund 80 Millionen DM.

Die Pläne stammen von Architekt Harald Löbermann, der auch die Meistersingerhalle geschaffen hat. Seine Lösung gefiel der Jury unter vier Arbeiten am besten.

27. Juli 1967: Wohnen mit reizvollen Aussichten

© Gerardi

Schon vor geraumer Zeit war die Nutzung des Geländes zwischen der Ostendstraße und dem geplanten Wöhrder See gegenüber der Tullnau ins Auge gefaßt worden. Von der Idee, an dieser Stelle Europas höchstes Wohnhaus zu bauen, war man jedoch bald wieder abgekommen, weil ein solcher Koloß nicht ins Stadtbild zwischen Mögeldorf und City gepaßt hätte.

Statt dessen haben die Fachleute – in der Jury saßen neben dem Baureferenten auch Professor Dr. R. Hillebrecht und der Chef des Stadtplanungsamtes, Baudirektor Diether Kohler – den Löbermann-Entwurf ausgewählt. Auf dem 26.000 Quadratmeter großen, zur Altstadt hin offenen Hang ordnete der Nürnberger Architekt im Westen das Hochhaus an, plazierte nach Osten zu die niedrigen Trabanten und ließ das Café in den geplanten See hineinragen.

Die Autos verbannte er in eine dreigeschossige Tiefgarage mit Tankstelle, zwischen den Baukörpern fand er Raum für Büros, Praxen, für die zentral gelegenen Läden, für Kinderspielplätze und für Sitzgruppen, die den Bewohnern zur Verfügung stehen.

Die Garage im Keller

Autos sind in der Anlage nicht mehr zu sehen – Dafür gibt es Sitzgruppen für Erwachsene und Kinderspielplätze – Ein Architekt fand den rechten Maßstab

Die Häuser stehen so im Gelände, daß vom Verkehrslärm möglichst wenig zu hören ist und von zwei Dritteln der Wohnungen aus – die Anteile der Miet- und Eigentumswohnungen wird eine Marktfrage sein – der Blick auf den See möglich ist.

Um den Autofahrern das Leben leichter zu machen, soll an der Kreuzung Tullnau mit Abbiegespuren Luft geschaffen werden. Außerdem setzte Harald Löbermann der Wohnanlage die Krone auf: auf dem Dach des Hochhauses soll ein Restaurant entstehen, von dem aus – dazu bedarf es keiner großen Phantasie – die Gäste über die Silhouette der Stadt weit ins Umland sehen können.

Der Architekt hat dabei den richtigen Maßstab, den der See und die Altstadt vorschreiben, nicht außer acht gelassen, dennoch aber städtebauliche Wirkung erzielt und das gesamte Bauprogramm auf dem kleinen Raum untergebracht, ohne Stilbruch zu begehen. Der höchste Punkt des bebauten Zeltnerhügels reicht 64 Meter über den Spiegel des Wöhrder Sees, das entspricht der doppelten Höhe des jetzt noch stehenden Kamins. Und wenn jemand auf den Gedanken kommen würde, von der Traufe des 20geschossigen Wohnblocks eine waagrechte Linie bis zum Plärrer zu ziehen, der träfe genau das Dach des Plärrer-Hochhauses.

Anfang 1970 – Dr. Otto Erker von der DEBA-Wohnbau Nürnberg rechnet mit einer Bauzeit von rund zwei Jahren – wird in die Tat umgesetzt sein, was gestern noch als Modell zu sehen war. Dann kann sich Nürnberg rühmen, ein weiteres Zeugnis der Architektenkunst zu besitzen.

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