28. September 1966: Langwassers Pforte

28.9.2016, 07:00 Uhr
28. September 1966: Langwassers Pforte

© Gerardi

Flankiert von einem vierstöckigen und einem siebenstöckigen Gebäude, ragt dort bald das bisher höchste Haus, das Langwasser-Süd kennzeichnen wird, mit 17 Stockwerken in den Himmel. Im Frühjahr 1969 soll dieses "Dreigespann" - Troika nennen es die verantwortlichen Planer - von seinen Bewohnern bezogen werden.

Nach dem Willen der Gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft der Stadt Nürnberg (WBG), in deren Händen die Rahmenplanung der Trabantenstadt liegt und die in diesem Fall als Bauherr auftritt, wird dieser Komplex sowohl in der Fläche als auch in der Höhe ein Bindeglied zu seiner Umgebung. Nicht nur, daß endlich nach jahrelangen Grundstücksverhandlungen mit einem Privatmann diese noch fehlende Fläche gekauft werden konnte und damit wieder ein Stück Wiese verschwindet - die drei verschiedenen "Höhen" der Troika sollen sich harmonisch ins Bild der gemischten Bauweise dort draußen einfügen.

28. September 1966: Langwassers Pforte

© Gerardi

Durch diesen Bau wird abermals unterstrichen, daß in Langwasser vom Bungalow und dem zweigeschossigen Reihenhaus bis zu den Giganten verschiedener Geschoßhöhe alles vertreten ist, was eine Siedlung auflockert. Die Grünflächen dazwischen wurden ebenso sorgfältig in die Planung einbezogen wie Garagen oder Abstellplätze für die Mülltonnen. So wird auch das 17stöckige Hochhaus nicht wie ein einsamer Zeigefinger gen Himmel ragen, sondern Gefährten bekommen, die es nur um eine geringe Distanz unter sich läßt.

Komplex steht versetzt

Diese Pforte entsprechend zu gestalten, war die Aufgabe des Architektengespanns Franz Reichel/Albin Hennig. Sie wählten für die beiden Flachbauten die bewährte Mauerziegel-Bauweise und entschieden sich beim Hochhaus für eine Kastenbauart, bei der alle tragenden Wände sowohl untereinander als auch mit den Decken zu einem räumlich steifen Tragwerk verbunden sind - "Feidnerbauweise" heißt der technische Ausdruck. Die Fassade wird mit einem Kolorit- und Glasalplattenbelag versehen, der als besonders wetterfest gilt. Die Balkone sind an allen drei Gebäuden einbezogen und ragen nur um wenige Zentimeter aus der Wand.

Untereinander sind die "Drillinge" durch ein Not-Treppenhaus verbunden. Um aufzulockern, stehen sie versetzt zueinander - der Komplex wird also nicht wie ein monolithischer Klotz wirken. "Wir legen Wert auf ein differenziertes Bauen", betont Direktor Joseph Haas von der WBG.

Drinnen bieten die Häuser das Beste an Komfort, was sich heute im Sozialen Wohnungsbau erreichen läßt. In allen Appartements - gleich, ob sie ein, zwei oder drei Zimmer umfassen (einige wenige Wohnungen haben gar vier) - ist die Küche bis auf den Kühlschrank vollständig eingerichtet. "Von hier aus - und vom Grundriß - ist bereits ein gewisser Stil vorgezeichnet", verraten die verantwortlichen Bauherren. "Das Wohnzimmer muß dann notgedrungen so groß sein, daß man drin auch essen kann."

Doch sonst läßt man den künftigen Bewohnern bei der Einrichtung freie Hand. Es gibt keine Einbauschränke - "dafür müßten wir die Mieten erhöhen, was wir unseren Mietern nicht zumuten wollen", sagt man bei der WBG - aber genug Stellfläche. Wer Lust hat, kann sich in den Musterwohnungen der Wohnberatung informieren, wie man sich in so modernen Behausungen am stilvollsten etabliert.

Trotz dieser so offensichtlichen Vorzüge ist und bleibt es ein Problem, in einem Hochhaus zu leben. Das wissen seine Erbauer am besten - sie schlagen deshalb vor, daß Familien mit Kindern in die tiefer gelegenen Etagen einziehen. Eine "gemischte Bewohnerschaft" wünschen sie trotzdem: Zweizimmerwohnungen sind nach ihrer Meinung eine Übergangslösung, denn sobald ein Kind geboren wird, zieht die frischgebackene Familie aus. Reine Einzimmer-Appartement-Häuser halten sie für wenig erfreulich.

Bei einem Quadratmeterpreis von 2,80 DM (später 3,30 DM) dürfen die Insassen der "Troika" die Wohltaten der Technik in vollem Umfang genießen: Fernheizung, zentrale Warmwasserversorgung, Gemeinschaftsantennen für alle Programme des Fernsehens und Rundfunks, Lift und Tiefgarage, dazu reibungslosen Anschluß an die von der Stadt geplante Müllbeseitigung. Gratis gibt‘s die Sicht auf eine Nachbarschaft, in der glatte Hausfassaden angenehm mit belebten Grünflächen (vielleicht bleibt es auch bei schlichten Wiesen) wechseln.

Kostenpunkt dieses Tüpfelchens auf die "i" von Langwasser: fast neun Millionen.

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