29. April 1965: Gasexplosion in St. Leonhard

29.4.2015, 07:00 Uhr
29. April 1965: Gasexplosion in St. Leonhard

© Ulrich

Die Ursache des Unglücks ist auf den Freitod des Hilfsarbeiterehepaares Helmut (37) und Margarethe (42) zurückzuführen. Beide waren durch Einatmen von Leuchtgas aus dem Leben geschieden, weil sie schon seit längerer Zeit heftige Streitereien miteinander hatten. Als die Polizisten um 2 Uhr die Küchentür der gasgeschwängerten Wohnung öffneten, schaltete das Relais des Kühlschrankes, so daß der Zündfunke die Explosion auslöste. die Beamten, die versuchten, die Lebensmüden zu retten, wurden durch den Luftdruck zu Boden geworfen. Dem 50jährigen Polizeiobermeister Willi O., dem 45 Jahre alten Polizeiobermeister Alfred G. und dem 23jährigen Polizeiwachtmeister Horst Sch., die unmittelbar vor der Küchentüre gestanden waren, wirbelten die Trümmer von Einrichtungsgegenständen um die Ohren.

29. April 1965: Gasexplosion in St. Leonhard

© Ulrich

Blutüberströmt blieben Karl R. und Willi O. liegen. Ihre Kollegen, die nicht so schwer verletzt waren, trugen sie aus dem Gefahrenbereich. Mit mehreren Eimern Wasser löschten sie dann – trotz ihrer Verletzungen – noch den durch die Explosion hervorgerufenen Brand in der Küche und verhinderten durch dieses mutige und besonnene Eingreifen eine größere Katastrophe.

Das Ehepaar W., das neben der Familie G. wohnte, wurde gleichfalls schwer verletzt. Die zerborstenen Fenster und Glasscherben schnitten ihnen Gesicht und Hände auf. Stark blutend mußten sie in das Krankenhaus geschafft werden. Zum Glück kamen ihre drei Kinder mit dem Schrecken davon. Der einzige Beamte, der nur Schnitt- und Brandwunden erlitt, Polizeimeister Hans B. von der Kraftfahrzeugstaffel, berichtet: „Ich wurde kurz vor 2 Uhr nach St. Leonhard in die Heinrichstraße gerufen, um die Tür der gefährdeten Wohnung zu öffnen. Mit Spezialgeräten und bei völliger Dunkelheit gelang mir das innerhalb weniger Minuten. Zusammen mit Kollegen riß ich daraufhin alle erreichbaren Fenster auf, um das Leuchtgas aus den Räumen zu lassen.“ In der Zwischenzeit wurde von Polizisten und Hausbewohnern die Gaszufuhr gesperrt. Lautsprecherwagen alarmierten die Nachbarn. Auch die Fenster der umliegenden Häuser öffnete man. Kein offenes Feuer durfte mehr brennen.

Und dann krachte es trotzdem

Polizeimeister B., der gerade von einem Kamin verdeckt die Badtüre öffnen wollte, wurde nur leicht verletzt. Er erzählt weiter: „Ich stand vor dem Bad, als mir mein Kollege O. zurief, er habe den Küchenschlüssel gefunden. Eine Sekunde verging. Da zischte hinter mir ein etwa fünf Meter langer Feuerstrahl aus der Küche. Er streifte meine Haare und meinen Anzug. An meinem Hals spürte ich Verbrennungen. Ein paar Kollegen schrien auf. Dann wurde ich gegen die Badtür geschleudert. Karl O. hielt sich beide Hände vor sein Gesicht, als wir ihn wegzogen. Ich sah nur noch Blut, denn auch alle anderen Kollegen bluteten. Das Ehepaar W. lag vor der Korridortüre auf dem Boden, ebenfalls verletzt.“

Über Telephon und Funk wurde das Rote Kreuz gerufen. Sechs „Sanka“ trafen in wenigen Minuten ein. Die Sanitäter brachten die schwerverletzten Polizisten und das Ehepaar in das Krankenhaus. Die weniger Verwundeten setzten sich in einen Funkstreifenwagen, der sie in rasender Fahrt ins Krankenhaus brachte.

Bei Tagesanbruch bot sich den Experten der Kriminalpolizei und den Nachbarn ein schreckliches Bild. Im weiten Umkreis sah man Glassplitter und Mauerbrocken, die durch den Luftdruck weggeschleudert worden waren. Direkt unter der Wohnung von Helmut und Margarethe G. lagen die Überreste der 30 Zentimeter dicken Küchen- und Badwand. Fensterrahmen hingen im Gebüsch eines nahen Gartens.

In den Zimmern lagen die Möbel völlig zerstört herum. Geschirr bedeckte den Boden. Und inmitten dieses Durcheinanders lagen die Leichen der beiden Selbstmörder. Sie wurden sieben Stunden nach der Explosion weggeschafft. Den ganzen Tag über herrschte im Haus Nummer 57 Unordnung. Maurer und Zimmerleute mußten schnell und vorsichtig hantieren und mit Balken die Decke und Wände abstützen. Denn auch die Trennwand des Wohnblocks 57 zum Haus 59 war erheblich beschädigt. Der genaue Schaden ist bisher noch nicht festgestellt worden, doch schätzt man die Reparaturkosten auf rund 50.000 DM.

Das Unglück in der Heinrichstraße ist besonders tragisch, weil an einer gescheiterten Ehe auch zehn Unbeteiligte zu Schaden kamen. Helmut und Margarethe G. vertrugen sich schon längere Zeit nicht mehr gut miteinander. Wiederholt gab es lautstarke Auseinandersetzungen. Und schon einmal wollte der 37jährige Mann durch Selbstmord einen Ausweg aus diesen dauernden Unstimmigkeiten suchen. Nach Aussagen von Hausbewohnern hatten sich die beiden am Dienstag um 19 Uhr wieder gestritten. Laute Worte und dumpfe Schläge wurden stundenlang gehört. Die Experten der Kriminalpolizei ermittelten dann auch, daß Helmut G. nach den Auseinandersetzungen mit seiner Frau das Mobilar der Wohnung zerschlug. Beide scheinen schon zu dieser Zeit die feste Absicht gehabt zu haben, gemeinsam aus dem Leben zu scheiden. Etwa zwei Stunden vor Mitternacht verstummten die Geräusche in der Wohnung G. Etwa zwei Stunden nach Mitternacht fand man die beiden tot in der Küche.

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