29. Januar 1965: Lärm wird "gestoppt"

29.1.2015, 07:00 Uhr
Der Krach in Höfen und Hausgärten soll zeitlich beschränkt werden; das müssen sich jetzt schon die Holzhacker und Teppichklopfer merken: Hier wird dem Sohn von der Mutter (auf dem Balkon) mit dem Hinweis auf die Uhr angedeutet, daß er sein 'Häckla' wegzulegen hat.

© Gerardi Der Krach in Höfen und Hausgärten soll zeitlich beschränkt werden; das müssen sich jetzt schon die Holzhacker und Teppichklopfer merken: Hier wird dem Sohn von der Mutter (auf dem Balkon) mit dem Hinweis auf die Uhr angedeutet, daß er sein 'Häckla' wegzulegen hat.

Dieses Gutachten des Wohlfahrtsausschusses, der damit seinem Namen alle Ehre macht, wird noch dem Plenum des Stadtrates vorgelegt. „Die Bevölkerung freut sich bestimmt darüber!“ sagte gestern Sozialreferent Dr. Max Thoma. Tatsächlich gehen die Teppichklopfer, Holzhacker und Rasenmäher den meisten Menschen, ob sie nun in Villenvierteln oder eng bebauten Stadtteilen wohnen, mit ihrer Krachmacherei am Wochenende auf die Nerven. Die (nunmehr so gut wie veraltete) Gemeindeverordnung ließ es zu, daß Herr X am Samstag auch noch um 18 Uhr die Idee verwirklichte, mit seiner lärmenden Grasschneidemaschine ungeniert Ausgleichssport zu üben.

Der Mensch braucht Ruhe

„Die Anwohner sind aus dem Häuschen“, erklärte dazu Stadtrat Rudolf Macher (CSU) und bekräftigte damit den Vorschlag der Verwaltung, die Lärmzeit zu verkürzen. Sein Beispiel, daß irgendwelche Leute sogar sonntags mit einer Motorpumpe ein Schwimmbecken geleert haben, diente zusätzlich als Bestätigung. Der Einwand von Stadträtin Regina Faust (SPD), den Samstags-Beschäftigten, besonders im Einzelhandel, würde die Arbeitszeit daheim ungebührlich beschnitten, stieß auf wenig Gegenliebe, da die Mehrheit der Bevölkerung noch das freie „verlängerte“ Wochenende kennt und genießt.

29. Januar 1965: Lärm wird

© Gerardi

Im Mittelpunkt der Verhandlung blieb das Ruhebedürfnis, das fast alle Menschen nach einer Reihe von meist strapaziösen Werktagen haben, und so wurde schließlich von den Fraktionen befürwortet, die „Ausübung ruhestörender Hausarbeiten“ nur noch werktags von 8 bis 12 und von 15 bis 19 Uhr, samstags jedoch lediglich bis 16 Uhr zuzulassen. „Gegen Radiolärm und Motorradgeknatter können wir ohnehin nichts machen“, resümierte Dr. Thoma, „hierauf reagiert die Polizei. Und schreiende Kinder können wir vielleicht noch verscheuchen. Sonst aber dienen wir uns nur alle selber, wenn wir der neuen Lösung zugestimmt haben!“ Demnach: das behagliche Wochenende fängt, was die Geräuschkulisse der Nachbarn angeht, früher an.

Übereinstimmung wurde, allerdings auch erst nach längeren Debatten, zu einem Kapitel erzielt, das Eltern und ihre spastisch gelähmten Kinder angeht: die Tagesstätte – als einzige in Nordbayern – wird mit 100.000 DM Einrichtungskosten am 1. Mai in der Mögeldorfer Ziegenstraße eröffnet. Dr. Thoma plädierte mit überzeugender Hingabe für die Gebührenfreiheit – und das wurde denn auch beschlossen.

Ein Jahr später, das bekräftigte auch Bürgermeister Franz Haas als Vorsitzender, will man erneut über eine mögliche Kostenbeteiligung der Eltern beraten. „Zunächst will die Stadt das Schicksal der Eltern mittragen“, hieß es, und dabei wurde anerkannt, daß der Verein zur Förderung spastisch gelähmter Kinder bereits zugesichert hat, für Hin- und Rückfahrt ihrer Schutzbefohlenen zur Tagesstätte zu sorgen. Die 40 Buben und Mädchen werden in dieser Heimschule von ausgesuchten und ausgebildeten Fachkräften betreut und unterrichtet.

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