29. November 1962: Stadt bekommt Sirenen, hat aber keine Bunker

29.11.2012, 07:00 Uhr
29. November 1962: Stadt bekommt Sirenen, hat aber keine Bunker

© Ulrich

Erst jetzt werden 22 Stellen und Felsenkeller sowie 16 Hoch- und 14 Tiefbunker aus alter Zeit von zwei Architekten überprüft, die Vorschläge für eine Neugestaltung ausarbeiten.

Es fehlen auch noch viele freiwillige Helfer. Bürgermeister Franz Haas, der dem Stadtratsplenum gestern einen ausführlichen Bericht über den jüngsten Stand des Luftschutzes gab, richtete daher erneut einen dringenden Aufruf an die Bevölkerung, an dieser großen Aufgabe in ihrem eigenen Interesse mitzuarbeiten.

„Für die Stadt ist es keine Freude, das machen zu müssen“, räumte der Bürgermeister mit einem Hinweis auf die gesetzlichen Bestimmungen selbst ein, „aber wir sollten unseren Teil dazu beitragen, es so gut zu machen, wie wir können!“ In seinem Appell an die Bürger sagte er: „Der zivile Bevölkerungsschutz ist zunächst Aufgabe eines jeden einzelnen, nicht nur der Behörde!“ Nur durch Zusammenarbeit ließe sich das große Problem bewältigen. Der Bundesluftschutzverband, Allersberger Straße 99, und das Amt für Katastrophenschutz, Jakobsplatz 20, geben Auskunft darüber, wie man sich auf dem „weiten Feld“ betätigen kann.

Am besten scheint die Organisation zu stehen. Das Stadtgebiet ist in fünf Luftschutzabschnitte oder 25 Teilabschnitte aufgeteilt, für die bereits Abschnittsleiter und Stellvertreter geschult worden sind. Zusammen mit Fürth bildet Nürnberg ein Luftschutzgebiet für das ein Hilfsdienst mit 2688 freiwilligen Helfern aufgestellt werden muß. Aus diesen Männern sollen sich 7 LS-Feuerwehrbereitschaften, 20 Schnelltrupps, 6 Bergungsbereitschaften, acht Bergungsschnelltrupps, drei Räumzüge, drei Sanitätsbereitschaften, zwei ABC-Bereitschaften, sechs ABC-Schnelltrupps und ein Fernmeldezug rekrutieren. Die Kosten für diese Trupps und ihre Ausrüstung trägt der Bund.

 

Trotzdem ist es nicht leicht, Freiwillige zu finden. Bürgermeister Haas bezeichnete es als einen Erfolg der großen Luftschutz-Schauübung, die kürzlich im Inneren des Kongreßhallen-Torsos abgehalten worden ist, daß sich 20 Frauen und 192 Männer gemeldet haben und in der Bevölkerung keine negativen Äußerungen laut geworden sind. Junge Männer, die sich bei dieser Gelegenheit für den Luftschutz entschieden haben, sind sogar vom Wehrdienst befreit worden.

Alle Helfer werden auf Schulen ausgebildet und immer wieder geschult. Der Bundesluftschutzverband hat in diesem Jahr in Nürnberg schon 19 Grundlehrgänge und 21 Aufklärungsversammlungen veranstaltet. 128 Betriebe haben bereits eigene Luftschutzleiter. Dennoch ist die Bevölkerung zurückhaltend, was sich beim Auftauchen eines Film-Vorführ-Wagens auf verschiedenen Plätzen gezeigt hat.

Am meisten Zurückhaltung freilich legen sich die Bauherrn auf, die bei neuen Gebäuden nicht verpflichtet werden können, Luftschutzkeller einzubauen, weil das entsprechende Gesetz noch fehlt. Ihre Haltung erklärt sich auch daraus, daß erst jetzt die öffentlichen Bunker im Auftrag der Oberfinanzdirektion überprüft werden. Die Stadt leistet dabei „umfangreiche Amtshilfe“ – bei diesem Wort schmunzelte man im Saale –, denn sie beschäftigt für solche Zwecke im Hochbauamt zwei Angestellte.

Weiter gediehen ist dagegen der Aufbau von ABC-Meßstellen (ABC bedeutet Atom, bakteriell und chemisch), die in der Stadt nach einer Ministerialentschließung vom September entstehen müssen. Die notwendigen Geräte für diese Beobachtungs- und Meßstellen sind schon eingetroffen. Auch die Sirenen, die bald zahlreicher im Stadtbild auftauchen, liegen auf Lager in der Kongreßhalle.

Aus den Nürnberger Nachrichten vom 29. November 1962

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