29. November 1965: "G´schenkla" auf Anzahlung

28.11.2015, 07:00 Uhr
29. November 1965:

© Ulrich

Der Betrieb in der City pulsierte. Trotzdem konnten kleine Verkehrsstauungen rasch aufgelöst werden. Einige Verbindungsstraßen zur Innenstadt wurden gesperrt. Als Grund dafür, dass nicht noch mehr Späher, Tester und Käufer unterwegs waren, darf das Regenwetter angenommen werden. Wer sich aber schon aufgerafft hatte, der ließ, soweit vorhanden, die D-Mark rollen.

Zahlreiche Geschäftsleute bekamen das (angenehm) zu spüren. Dabei ergab sich, wie bei einer Umfrage festgestellt, daß nur gute und teure Ware gefragt war. Auch erlesenen Einzelstücke des „gehobenen Bedarfs“ gingen weg wie die warmen Semmeln – zumindest per Anzahlung. „Der Laden lief gut!“, so bezeichnet der Leiter eines Kaufhauses den Rummel am Samstag. Das heißt so viel, daß Personal und von überall zusammengerufene Aushilfen ständig zu tun hatten. Die Käuferwünsche waren dabei so unterschiedlich und reichhaltig wie das Angebot.

Ein anderer Markt, nämlich der Verkauf von Adventskränzen, Tannenzweigen, kerzenbestückten Gestecken und glühend roten Christsternen, machte ein beträchtliches Bargeschäft. Die Händlerinnen hinter der Frauenkirche konnten bis zur Dämmerung gar nicht genügend grünen Schmuck herbeibringen, wie er von den gehetzten Kunden „auf die Schnelle“ gewünscht war. „Tempo“ hieß auch pausenlos die Devise in all jenen Geschäften, die Wachskerzen, Ständer und sonstiges Zubehör anbieten, auf daß es rasch „advente“.

Einzeln und in kleinen Gruppen jagten Großstädter und Auswärtige durch die Straßen, verharrten kurz vor wirkungsvollen Auslagen, betrachteten flüchtig die Lichterfülle an den Fassaden der Verkaufshäuser – schon mittags um zwölf drang sie durch den Regenschleier – , sie besorgten dies und das und eilten zu den vollgestopften Parkplätzen zurück, auf denen die Autopoliermittel-Vertreter zum großen Rennen um einen neuen Kunden ansetzten. Bis zur Heimfahrt waren die City-Besucher „völlig ausgelastet“ und erschöpft.

Am nächsten Samstag, zumal bis dahin der Christkindlesmarkt eröffnet ist und Gehälter plus „Grati“ ausgezahlt sind, wird die Stadt einem brodelnden Kessel gleichen. Auf den Ansturm derer, die nicht immer die Spreu vom Weizen ihrer und anderer Leute Wünsche trennen, sind die Geschäftsleute gerüstet. Auch die Polizei – am letzten Samstag mußte sie nur vereinzelt von der Staatsgewalt Gebrauch machen – wird alle Hände voll zu tun haben, um den Weihnachtsmännern auf vier Rädern grünes Licht zu geben. „Das pack´ mer scho!“, sagt ein kühner Verkehrspolizist. Sein Wort klingt gut im Ohr. Wo parken? (ohne „Zettel“), das beantwortet er nicht. In diesem Sinne: fröhlichen Weihnachtseinkauf!

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