3. April 1965: Der größte Wunsch: mehr Verkehr

3.4.2015, 07:00 Uhr
3. April 1965: Der größte Wunsch: mehr Verkehr

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Wenn die Maschine heute im Linienverkehr aus Frankfurt kommt, fällt sie nicht mehr und nicht weniger auf als alle anderen Flugzeuge auch. Aber am Dienstag nächster Woche wird ihrer noch einmal besonders gedacht: der Flughafen feiert seinen 10. Geburtstag und erinnert sich damit ihres ersten Auftritts.

In einem Jahrzehnt ist dieser Convair die stattliche Zahl von 175.000 großen und kleinen „Vögeln“ auf das Rollfeld gefolgt. Und doch muß der Flughafendirektor seinen größten Jubiläumswunsch in zwei knappen, aber vielsagenden Worten ausdrücken: „Mehr Verkehr!“

Für 17 Millionen

Nürnberg darf sich als einzige Stadt im ganzen Bundesgebiet rühmen, nach dem Kriege einen nagelneuen Verkehrs-Flughafen aus dem Boden gestampft zu haben. Für 17 Millionen Mark wurden 200 Hektar früheren Steckerlaswald-Geländes in eine moderne Anlage für den Luftverkehr verwandelt, auf der heute alle gängigen Maschinen starten und landen können. Das Tor zur Welt vor den Toren der Stadt will auch künftig neben den großen Verkehrsbändern wie Autobahn, Schiene und später auch Kanal, dazu beitragen, Nürnberg dem Schatten des „Eisernen Vorhangs“ ein wenig zu entrücken.

3. April 1965: Der größte Wunsch: mehr Verkehr

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Lange Zeit freilich schien es, als sollte das jüngste Kind unter den deutschen Flughäfen ein Stiefkind sein, so ruhig blieb es zunächst auf den Start- und Landebahnen zwischen Buch und Buchenbühl. Die täglichen Anflüge ließen sich an den Fingern einer Hand abzählen. Die Hasen führten ein so ruhiges Dasein, daß es wenigstens alljährlich um die Weihnachtszeit erfolgreiche Treibjagden gab. Die verantwortlichen Männer mußten sich oftmals wegen „ihres Sanatoriums mit Landemöglichkeit“ hänseln lässen. Gerade im Jubiläumsjahr aber keimen neue Hoffnungen in ihnen auf.

Dennoch erinnert sich die Direktion mit einiger Wehmut an den ersten Flughafen im Nürnberg-Fürther Raum. Als 1923 der zivile Luftverkehr in Atzenhof aufgenommen wurde, da gab es die Strecke Paris-Straßburg-Nürnberg-Prag-Wien-Budapest und Bukarest, die täglich in beiden Richtungen beflogen wurde. Einer solchen Linie kann sie nur nachtrauern, denn bislang führt nur ein Kurs ins Ausland. Wenn man so will, erlebten der Flughafen Marienberg (am 20. August 1933 eingeweiht) und der Industrieflughafen Fürth (von 1950 an) auch noch glorreiche Zeiten. Vor allem Fürth war fünf Jahre lang ein Tummelplatz für ausländische Gesellschaften gewesen, die natürlich ihre Hauptstädte ansteuerten.

Die ersten Motorengeräusche auf dem neuen Flughafen fielen vor zehn Jahren mit der Wiedergeburt der Deutschen Lufthansa zusammen, die heute die tragende Säule des Verkehrs darstellt. Sie mußte ebenso bescheiden anfangen wie die Nürnberger, entmutigte aber von Anfang an die ausländischen Gesellschaften, sich hier zu zeigen. Hatten Fürth die SAS, Swiss-Air und Sabena mit Passagiermaschinen angeflogen, so machte in Nürnberg nur noch die KLM weiter mit.

3. April 1965: Der größte Wunsch: mehr Verkehr

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Die Königlich-Niederländische Fluggesellschaft, die ebenso wie die Sabena vom Anbeginn in Fürth dabei war, ist bis auf den heutigen Tag ihrer Tradition treu geblieben. Sie befliegt täglich einmal die Strecke von und nach Amsterdam. Die Pan American hat den Dienst in die alte Reichshauptstadt Berlin übernommen, der nur einmal im Jahre 1957 unterbrochen gewesen war. Der Lufthansa freilich fällt – schon wegen der Verkehrsrechte – die bedeutendste Aufgabe in Nürnberg zu. Sie hat mit ihrer neuen Verbindung nach München dem Flughafen das schönste Geburtstagsgeschenk gemacht, weil nun die Wege nach Süden ohne Umweg über Frankfurt offenstehen: der Fluggast kommt billiger und schneller an seine Ziele.

Aller Anfang war auch für den neuen Flughafen schwer, trotzdem hat er einen stattlichen Aufschwung erlebt. Die Zahl der Starts und Landungen pro Woche stieg von 70 im Jahre 1955 auf 148 heuer. Im letzten Jahr sind 213 696 Passagiere abgeflogen oder angekommen, also fünfmal soviel wie 1955. Trotz dieser Zahl steht Nürnberg an vorletzter Stelle unter den 10 Flughäfen in der Bundesrepublik und Westberlin; es muß sich um diesen Rang obendrein mit Bremen streiten.

Der Wunsch nach mehr Verkehr ist demnach verständlich. Jedes Flugzeug bringt schließlich bares Geld. Die Höhe der Landegebühr richtet sich nach dem Höchst-Startgewicht; sie macht im Inlandsverkehr 6,10 Mark pro Tonne, im grenzüberschreitenden Verkehr 7,80 Mark aus. Für eine Convair Metropolitan müssen 140 Mark bezahlt werden, wenn sie in Deutschland bleibt, 180 Mark bei Flügen ins Ausland. Notlandungen wegen technischer Störungen werden gratis, frei und franko gewährt.

397 Menschen beschäftigt

Das alte Sprichwort „Auch Kleinvieh macht Mist“ gilt ebenso für den Nürnberger Flughafen. Die vielen Reise- und Sportmaschinen – allein in den Hallen stehen 48 – bringen der Gesellschaft schöne Einnahmen, zumal sie viel Spielraum haben, weil der Passagierverkehr große Zeitlücken läßt. Es gibt tatsächlich Stunden, in denen das Rollfeld ganz leersteht und Besucher nichts anderes geboten bekommen als Betonpisten. Dieser Zustand ist und bleibt ein Ärgernis für die Direktion, denn sie glaubt, den Luftverkehrsgesellschaften etwas bieten zu können.

Im Flughafen sind 397 Menschen beschäftigt – vom Turm bis zur Gaststätte, von der Wetterwarte bis zu den Speditionsfirmen. Sie arbeiten in zwei oder gar drei Schichten. Zu jeder Tag- und Nachtzeit meldet sich der Turm mit „Here Nuremberg tower“. Ein Flugzeug wird auf dem Weg von Frankfurt nach Nürnberg im Raum Würzburg von der Anflugkontrolle übernommen. Von da an steht der Turm mit dem Piloten in Sprechfunk-Verbindung. Der Flugzeugführer der ankommenden Maschine gibt zunächst eine Positionsmeldung über Zeit, Höhe, Position und voraussichtliche Ankunft über dem Ansteuerungs-Funkfeuer Emskirchen oder Röthenbach/P. Ihm wird von der Anflugkontrolle das Platzwetter durchgesagt, die Höhe angewiesen und der nächste Pflichtmeldepunkt durchgegeben. Das alles in Englisch.

Nur selten Düsenmaschinen

Zoll, Grenzpolizei und Flugwetterwarte stehen auch 24 Stunden jeden Tag zu Diensten. Ansonsten gönnt sich der Flughafen nur drei Stunden Schlaf, denn er ist von 6.30 bis 3.30 Uhr besetzt. Diese ungewöhnlichen Arbeitszeiten kommen vor allem wegen des Nachtpostverkehrs zustande, denn die Maschinen mit der zuschlagfreien Luftpost können erst fliegen, wenn sie ihre Aufgabe für den Passagier-Verkehr erfüllt haben. Das Bild eines richtigen Flughafens, zu dem auch eine eigene Feuerwehr mit drei Fahrzeugen gehört, rundet die Gaststätte ab, die manchen Leckerbissen an Bord der Flugzeuge liefert.

Es fehlt also nichts für einen weltstädtischen Luftverkehr, außer den Flugzeugen. Die großen, fast schallschnellen Düsenmaschinen, lassen sich vorerst noch ganz selten bei Schulanflügen oder Nebel in anderen Orten blicken. Trotzdem will der Flughafen bald schon seine Startbahn von 2.300 auf 2.700 Meter verlängern, um allen Ansprüchen gerecht zu werden.

Die Landung im Schaumbad

Derzeit könnte nämlich eine Boing 27 vollbeladen zu einem Non-Stop-Flug nach New York (sie bräuchte allein 90.000 Liter Treibstoff) nicht starten, weil die Bahn zu kurz ist. Ehe jedoch Nürnberg eine Direktverbindung nach den USA bekommt, wird wohl noch sehr viel Wasser die Pegnitz hinunterfließen. Direktor Heinz Hugo Starke wäre vorerst froh, wenn die Linie nach Hannover und Hamburg erst einmal wieder aufleben würde.

Wie dem auch sei: Nürnberg hat sich im vergangenen Jahrzehnt als sicherer Flughafen erwiesen. Nur eine einzige Bauchlandung gab es bei einer Frachtmaschine, die aber so sicher im Schaumbad ankam, daß nicht einmal ein Brand ausbrach. Dieser Unfall im Jahre 1961 ging mehr als glimpflich ab. Bayerns Wirtschaftsminister Dr. Otto Schedl hat daher in seinem Grußwort zur 10. Wiederkehr jenes Tages, an dem zum erstenmal ein Flugzeug auf der Piste aufsetzte, besonders gerühmt, wie „großzügig und weitschauend“ der neue Verkehrsflughafen angelegt ist. Das Tor zur Welt ist aufgestoßen. Wer will, mag mal hereinkommen oder hinausgehen.

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