3. Juli 1965: Schwärme mit Stacheln

3.7.2015, 07:00 Uhr
Die "Bienenpfeife" im Mund, wedelt hier der Imker und Oberbrandmeister Konrad Brechtelsbauer mit einer Feder die 40.000 Tiere in einen Karton. In kurzer Zeit: es klappt.

© Gerardi Die "Bienenpfeife" im Mund, wedelt hier der Imker und Oberbrandmeister Konrad Brechtelsbauer mit einer Feder die 40.000 Tiere in einen Karton. In kurzer Zeit: es klappt.

Mehr als 50 Schwärme bescherte allein der Juni: gestern wurde der Fängertrupp zehnmal gerufen, dabei auch zur Lorenzkirche, wo sich Frau Alt-Königin mit ihren Getreuen ausgerechnet auf der Verzierung eines südlichen Strebepfeilers niedergelassen hatte. Zuschauer gab es im Herzen der Stadt in hellen Scharen, als sich der 56jährige Oberbrandmeister Konrad Brechtelsbauer, selbst Imker aus Leidenschaft, auf den Sprossen der Drehleiter daranmachte, den kürbisgroßen Schwarm „abzukratzen“ und in einen Karton zu verfrachten. „Da gehört was dazu!“ sagte ein Zaungast, aber der erfahrene Bienenfänger hat gar nicht so viel Respekt vor den aufgeregt schwirrenden Tieren. „Ich greif´ hinein ins volle Bienenleben . . .!“ sagt er, und schon hatte er die Königin „derfangt“.

Sie zu erwischen, die aus dem alten Stock mit der frischgeschlüpften Jung-Königin Reißaus genommen hat, ist entscheidend. Wo sie ist, wollen auch die Trabanten sein – und so lassen sie sich freiwillig in die Pappschachtel locken. Nicht immer geht das rasch vonstatten, vor allem dann nicht, wenn der Schwarm schon längere Zeit an irgendeinem Quartier klebt, Regen oder Sturm überdauert hat und deshalb aufs Höchste „stachelig“ gereizt ist.

Die Wehrmänner, seit Jahren geschulte Klettermax´n erkennen den Zustand des geflüchteten Völkchens auf den ersten Blick. Sie ziehen ihren Schutzdreß an, streifen die Gummihandschuhe über und stülpen den Drahtkorb über den Kopf. Sie tat´s auch gestern der 30-jährige Feuerwehrmann Hermann Bierlein, mit dem wir „drei Einsätze gefahren“ sind. Schon kurz nach 8 Uhr lagen die drei Meldungen vor: aus der Rothenburger Straße 611, der Bauhüttenstraße und aus der Nerzstraße. Ab ging´s im feuerroten Kombiwagen der Wache West. Das Tempo war so, wie es die Polizei erlaubt, die Fahrt selber aber wie eine Probe auf das bevorstehende Norisring-Rennen. Und wo wir hinkamen, da surrte es – mal an einem Strauch, mal um einen Eisenträger, mal um eine Dachrinne.

Dicke Beulen am Arm

„Gut, daß ihr kommt“ empfing ein Arbeiter in einem Straßenbauunternehmen an der Bauhüttenstraße den Feuerwehrmann Bierlein und zeigte seine beiden Unterarme: sie hatten von mehreren Stichen dicke Beulen. Kaum war die Königin mit einem Teil ihres Anhanges im Karton, wurde die Schachtel geschlossen und dafür ein eingeritztes Flugloch geöffnet. Bis zum Abend haben dann die vom alten Stamm ins Unbekannte ausgeschwärmten Bienen Zeit, sich zu sammeln. Die Feuerwehr fährt wieder Ringelreihe und schleppt die Schatullen – meist mit Völkern zwischen 10.000 und 70.000 Tieren – im Wagen fort.

Am nächsten Tag werden die „feuerwehrbekannten“ Imker angerufen. Wollt ihr die Bienen, gehören sie euch? Hier und da gehen sie ab – an Fremde und zwar kostenlos, denn der Eigentümer müßte für den Einsatz der Wehr 30 DM bezahlen. Und so kommt es, daß im hübschen Garten der Wache West an der Reutersbrunnenstraße auf alten Wirtshausstühlen viele abgedeckte Bierkästen stehen, in denen die eingefangenen Völkchen bereits wieder Waben bauen.

So hat die Feuerwehr als „Mädchen für alles“ nicht nur verängstigte Katzen von hohen Bäumen und Tauben, die in alte Gaslaternen gefallen sind, zu befreien; sie mußte auch danach trachten, „ihre“ Bienen wieder loszuwerden. „Wenn das Schwärmen noch so weitergeht, kann es heiter werden“, sagen die Bienenfänger, zu denen auch Brandmeister Georg Engerer und Oberfeuerwehrmann Heinrich Klotz gehören. Bis Ende Juli dauert die Schwärmerei noch an. Dann kommen die „Wespen“ und Hornissen . . .

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