30. Juli 1966: Geplätscher im stillen Winkel

30.7.2016, 07:00 Uhr
30. Juli 1966: Geplätscher im stillen Winkel

© Gerardi

Man muß also schon genau hinsehen, um die Kostbarkeiten zu entdecken, die von der Kunst der alten Meister zeugen, oder auf die Spuren der Brunnen-Konjunktur zu kommen, die es in Nürnberg um die Jahrhundertwende noch einmal gegeben hat, so daß mit Fug und Recht von der alten Erzgießerei an der Burgschmietstraße gesagt werden konnte: „Der Lenz ist ganz schön beschäftigt!“

Nur der Schöne Brunnen und der Tugendbrunnen gegenüber dem Nassauer Haus machen eine große Ausnahme. Mitten im Brennpunkt des städtischen Getriebes geben sie lohnende Objekte für die Kameras der Touristen ab. „Es gibt kaum einen Brunnen, der nicht schon gewandert ist“, meint Baudirektor Harald Clauß vom Hochbauamt, wenn er seine Liste aufschlägt und gleich unter dem ersten Buchstaben des Alphabets auf ein kleines Kunstwerk stößt, dem dieses Schicksal widerfahren ist: dem Apollo-Brunnen mit der Figur aus der Werkstatt Peter Vischers.

Der Bogenschütze, der einst als Symbol im Schießgraben an der Grübelstraße – am Herrenschießhaus – stand, wanderte später in das Germanische Nationalmuseum, bis er 1896 im Rathaushof einen Freiplatz bekam. Nach dem zweiten Weltkrieg bot sich ihm eine neue Aufgabe. Versehen mit einer neuen Brunnenschale zog Apollo ins Pellerhaus, um dem Hof das Tüpfelchen auf dem „i“ zu sein.

Nicht anders erging es zwei Kostbarkeiten aus der Werkstatt von Pankraz Labenwolf: dem Dudelsackpfeifer und dem Gänsemännlein. Nach der im Germanischen Nationalmuseum aufbewahrten Holzfigur des Musikanten entstand erst 1880 ein Erzguß, der zuerst an der Ebnersgasse aufgestellt war, heute aber den Unschlittplatz ziert, sofern er unter den parkenden Autos überhaupt herauszufinden ist. Das Gänsemännlein aber ist ein Opfer des Verkehrs geworden. Vom Obstmarkt vertrieben, reservierten die Stadtväter der Figur aus dem Jahre 1530 einen ruhigeren und würdigeren Ort zwischen den Rathäusern, der nach dem Beschluß des Verkehrsausschusses bald von parkenden Autos freigehalten werden soll.

Nur wenige Meter beträgt dagegen der Wanderweg, den der Labenwolf-Brunnen im Innenhof des Rathauses zurückgelegt hat. Er verdankt sein Dasein übrigens dem Tod eines Fürsten. Als die Nürnberger nämlich erfahren hatten, daß ihrem Erzfeind, dem Ansbacher Markgrafen Albrecht Achilles, das letzte Stündlein geschlagen hatte, ließen sie Pankraz Labenwolf das Bübchen mit der sieghaften Pose schaffen und setzten es in die Mitte des Gevierts. Von dort rückte der Brunnen nach dem Kriege ins südliche Drittel; besser in den Blickpunkt.

Magistrat änderte die Pläne

Fast hätte auch den 1589 von Wurzelbauer errichteten, von der Justitia gekrönten Tugendbrunnen neben der Lorenzkirche und dem Nassauer Haus das Schicksal der Wanderschaft ereilt. Er kam nur deswegen davon, weil der Magistrat der Stadt die Pläne, die Straßenbahn über die Museumsbrücke zu führen, wieder zu den Akten legte. Heute gehört der Tugendbrunnen mehr den Fremden wie den Einheimischen. Er ist ebenso umlagert wie der 600 Jahre alte Schöne Brunnen mit dem drehbaren goldenen Ring, der – wer weiß es schon – ein eisernes, ebenso bewegliches Gegenstück besitzt.

Wie eh und je sitzt auch der „Hansel“ im Hof des Heilig-Geist-Spitals. Die Figur, deren Original aus dem 14. Jahrhundert im Germanischen Nationalmuseum gehütet wird, erinnert an die schlimmen Zeiten, als in der Stadt Pestilenz und andere Seuchen wüteten, der unermüdliche Trinker „Hansel“ aber dennoch eine Fahrt auf dem Leichenkarren unter den Pesttoten unbeschadet überstand. Zechern, die schwer geladen aus der Weinstube kommen und wenige Meter entfernt an ihm vorbeistolpern, habe er schon zugeblinzelt, erzählt man sich an manchen Nürnberger Stammtischen.

Mohr am Mauritiusbrunnen

Neben diesen alten Kunstwerken, die zu Nürnberg gehören wie die Kaiserburg und die Rostbratwürste, sind noch einige wenige Wandbrunnen erhalten geblieben, wie sie vor der großen Zerstörung häufiger in den Höfen der Patrizier- und Bürgerhäuser anzutreffen waren. Im Hof des Welserhauses murmelt noch der Mauritiusbrunnen, dessen Name und dessen Mohr auf die weltweiten Beziehungen des Handelsgeschlechts hindeuten. An der Chemischen Untersuchungsanstalt – dem ehemaligen Fleischhaus – fällt nur wenigen Passanten der Wandbrunnen auf, der mit einem Widderkopf geschmückt ist und so auf die frühere Verwendung des Gebäudes hinweist.

Mit dem Bärenbrunnen nordöstlich vom Platnersberg, der um 1500 von Hans von Groland errichtet worden sein soll und 1909 – das ist gewiß – vom Verschönerungsverein Erlenstegen erneuert wurde, mit dem Tritonbrunnen aus dem Jahre 1687 auf dem Maxplatz und dem barocken Bauwerk im Garten Johannisstraße 13, das Amor auf einem Löwen reitend darstellt, schließt sich die Kette der jahrhundertealten Stücke. Den mehr wie ein Denkmal wirkenden, in der Biedermeierzeit zur Erinnerung an die Freundschaft zwischen Dürer und Melanchthon auf den Maxplatz gestellten Brunnen ausgenommen, hat sich lange Zeit nichts mehr gerührt.

Erst am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts verzeichnen die Chronisten wieder eine brunnenfreudige Epoche, die in erster Linie von den Bürgern getragen wird. 1897 stiftete der Gemeindebevollmächtigte und Kommerzienrat Max Brust einen Brunnen, der ein Mädchen mit einer Gans zeigt und heute inmitten der neugestalteten Grünanlage am Aufseßplatz einen hübschen Platz bekommen hat. Zwei Jahre später legten die Anwohner der Burgschmietstraße zusammen. Mit Hilfe der Stadt ließen sie den Burgschmietbrunnen aufstellen. 1902 bezahlte Kommerzienrat Gerngroß den Neptunbrunnen, der vom Hauptmarkt zum Marienplatz und von dort schließlich in den Südpark wanderte.

Minnesänger-Brunnen gestiftet

Die Kommerzienratswitwe Bach tat es ihm drei Jahre darauf in bescheidenerem Umfang nach und stiftete den Minnesängerbrunnen in der Prateranlage. Im gleichen Jahr ließ der Deutsche Uhrmacherbund den Erfinder des „Nürnberger Eies“, Peter Henlein, in Erz nachbilden und am Hefnersplatz aufstellen, auf die Hallerwiese kam der Armbrustschützenbrunnen. 1906 entstand der Brunnen am Geiersberg, bei dessen Bau sich streng an die Tradition gehalten wurde: steinerne Brunnenschale mit Gittern. Der Kunstbrunnen am Palmplatz beschließt 1928 diese Aera.

Nach dem zweiten Weltkrieg dachte zunächst kein Nürnberger daran, seine Stadt mit solchen hübschen Zutaten zu schmücken. Die Bevölkerung baute auf: ihre Häuser, die Straßen. Die Versorgung mit Gas, Wasser oder Strom war zunächst viel wichtiger. So dauerte es bis 1964, ehe mit dem „Fischlesbrunnen“ vor dem Rathausparkplatz an der Theresienstraße wieder ein Anfang gemacht wurde. Und erst im vergangenen Jahr setzte die Stadt den Wöhrder Störchen ein Brunnen-Denkmal; im Plobenhof entstanden kleine Wasserspielereien.

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