4. Juli 1965: Häuser, die im Wege stehen

4.7.2015, 07:00 Uhr
4. Juli 1965: Häuser, die im Wege stehen

© Gerardi

Die Bauverwaltung konnte mit der Mehrheit des Stadtrats im Rücken ihren Standpunkt behaupten, daß heutzutage gar nicht großzügig genug geplant werden kann. Sie schreckt dabei nicht einmal vor dem Gedanken zurück, künftig auch Häuser abreißen zu lassen, die erst nach dem Kriege wieder erbaut worden sind. Bei der Dennerstraße, wie in allen anderen Fällen, ist es freilich mit dem Plan allein nicht getan. Die Stadt muß zäh verhandeln und tief in ihren Säckel greifen, ehe sie Grundstücke in ihren Besitz bringt.

4. Juli 1965: Häuser, die im Wege stehen

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An allen Ecken und Enden von Nürnberg finden sich Häuser, die im Wege stehen. Baureferent Heinz Schmeißner unterscheidet zwischen solchen, über die das „Todesurteil“ schon gesprochen ist, und anderen, die erst in kommenden Tagen unter die Spitzhacke geraten sollen. Aus eigener schmerzlicher Erfahrung weiß er allerdings, daß das städtische Todesurteil noch längst nicht gleichbedeutend mit dem Abbruch ist. Die Hausbesitzer und Grundstückseigentümer haben da ein gewichtiges Wörtchen mitzureden. Ihr Jawort lassen sie sich oft genug nach jahrelangen, zähen Verhandlungen mit Gold aufwiegen.

Die Stadt kann allerdings Gebäude selbst dann nicht ohne weiteres abreißen, wenn sie ihr gehören. Das Schulhaus am Färbertor ist dafür geradezu ein klassisches Beispiel. Obwohl es verhindert, daß der Ring an dieser Stelle breiter gemacht wird, muß es noch eine geraume Weile stehen bleiben. Die Frist zwischen seinem Abbruch und dem Neubau an anderer Stelle soll nicht zu lange bemessen sein.

Das alte Schulhaus stellt einen typischen Stockzahn dar, wie einzeln stehende Gebäude von den Fachleuten gerne genannt werden. Für diese Art von Verkehrshindernissen war lange Zeit ein zweistöckiger Bau auf dem Plärrer geradezu Symbol. Wie es schien, sollten sich an ihm die städtischen Grundstückskäufer die Zähne ausbeißen, sie haben sich jedoch als hartnäckig und auch erfolgreich erwiesen. Die Männer vom Liegenschaftsamt mit ihrem Chef Hans Barth sind es gewohnt, jahrelang an einem Stockzahn ziehen zu müssen, ehe er ihnen in die Hände fällt.

So haben sie 13 Jahre lang wegen einer kriegszerstörten Villa am Ring gebohrt und schließlich doch gewonnen. Die Grundstückseigentümer (eine Erbengemeinschaft) wollten ursprünglich ihren Besitz wieder aufbauen, doch die Behörden waren von Anfang an dagegen. 1950 begann die Stadt, um den Erwerb der Fläche zu verhandeln. Erst kamen ihr die finanziellen Forderungen der Eigentümer zu hoch vor, dann wiederum fand sie mit Tauschgrundstücken bei der Gegenseite keine Gegenliebe.

Mit einem Baulinien-Plan vom Jahre 1957, der das Haus kurzerhand ausradierte, wollte die Stadt weiterkommen, aber die Grundbesitzer zogen vor die Verwaltungsgerichte. Als der Plan 1961 schließlich doch rechtskräftig geworden war, wurde zunächst ebenso gütlich wie vergeblich weiterverhandelt.

Zwei Jahre später glaubte die Stadt, der Worte seien genug gewechselt: sie drohte mit Enteignung. Der Wink mit diesem Zaunpfahl genügte, um die Eigentümer weich zu machen. Statt zum Prozeß kam es zur friedlichen Einigung. Anfang 1964 konnte der Vertrag unterzeichnet werden. Die Kaufsumme freilich war in den 13 Jahren um nahezu 1.000 Prozent gestiegen, ein Umstand, der die Hartnäckigkeit vieler Hausbesitzer erklärt. Inzwischen ist die Ruine verschwunden.

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