4. Juli 1968: „Hotel statt Kaserne“

4.7.2018, 07:00 Uhr
4. Juli 1968: „Hotel statt Kaserne“

© Kammler

Beim Rundgang durch das weitläufige Waldgelände an der Kornburger Straße sahen sie eine Unterkunft, die mehr an ein Hotel als an eine Kaserne erinnert. Den Stadtvätern drängte sich der Eindruck auf, daß auch sie etwas mehr für Ihre Polizei tun müssen, die – so der Bürgermeister – oft in recht dürftigen Behausungen sitzt. „bei uns herrscht ja geradezu ein sozialer Notstand“, meinte Franz Haas als Polizeireferent.

4. Juli 1968: „Hotel statt Kaserne“

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Ansonsten waren Gastgeber und Gäste galant und machten sich Komplimente über das gute Zusammenwirken beider Seiten. Drei Hundertschaften (eine besteht kurioserweise aus 157 Mann) standen in der schwülen Sommerhitze im offenen Viereck vor ihrem Präsidenten Dr. Heinrich Martin und dem Stadtrat, als ihnen Oberbürgermeister Dr. Urschlechter bei seiner Ansprache im Geiste auf die Schulter klopfte. Er dankte den Männern der BePo, daß sie gerade in jüngster Zeit bei Demonstrationen und Unruhen zusammen, mit der Stadtpolizei für Recht, Ordnung und Sicherheit in Nürnberg gesorgt und sich dabei „menschlicher Mittel“ bedient haben.

Das Stadtoberhaupt hatte kaum davon gesprochen, wie stolz der Rat und die Bevölkerung auf die Bereitschaftspolizei in ihren Mauern und obendrein in so schönen Unterkünften seien, da bestätigten Bayerns BePo-Präsident Dr. Martin und Oberpolizeirat Karl Zürner seine Worte eindrucksvoll.

Vergleich mit Revieren

Beide führten die Gäste aus dem Rathaus vom Wirtschaftsgebäude mit einer Küche am Fließband und den Aufenthaltsräumen mit ihrer geschmackvollen Ausstattung bis zum Waffenlager, das ebenso wie der Fahrzeugpark vom Band bestückt wird. Am meisten staunten die Besucher freilich über die Wohngebäude für die Polizisten selbst. Vier Mann leben in einem Zimmer zusammen, in dem sogar an einen eigenen Schuhschrank gedacht ist. Die Häuser für je eine Hundertschaft besitzen auch einen Wasch- und Trockenraum, in dem die Männer ihre Hemden und Socken reinigen können. Trotz dieses scheinbaren Aufwands konnte Präsident Dr. Martin berichten, daß beim ersten Bauabschnitt 2 Millionen Mark eingespart worden sind.

„Wenn junge Leute von der Bereitschaftspolizei zu uns wechseln, müssen sie sich vorkommen, als ob sie eine Villa mit einem Obdachlosenasyl vertauscht hätten“, sagte angesichts solchen Komforts Bürgermeister Franz Haas. In manchen Revieren fänden die Beamten nicht einmal genug Sitzgelegenheiten vor. Den einzigen Trost darf Haas darin erblicken, daß Polizeipräsident Dr. Herold mit seinem Wunsch nach einem Neubau im Präsidium beim Stadtrat Gehör gefunden hat.

Zum guten Schluß des Rundgangs ließ Präsident Martin den Gästen zeigen, wie ein Wasserwerfer aus drei verschieden großen Öffnungen gegen Demonstranten eingesetzt werden kann. Die Stadträte nahmen diesen Anblick bei der gewitterschwülen Witterung als eine kleine Labsal hin, waren sich aber darüber einig, daß ein Vollbad aus allen Rohren nicht wünschenswert ist.

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