434 Jahre Zeitgeschichte: Nürnberger Bauernhaus saniert

4.5.2018, 17:30 Uhr
Helle, weite Räume auch unter dem Dach: Die weiß getünchten Wände vermitteln auch in kleinen Zimmern ein Gefühl von Licht und Weite.

© Michael Matejka Helle, weite Räume auch unter dem Dach: Die weiß getünchten Wände vermitteln auch in kleinen Zimmern ein Gefühl von Licht und Weite.

Im Hof knirscht der Schotter unter den Füßen: Die Maags sind noch nicht dazugekommen, die Fläche zu pflastern. Auch eine Glocke oder eine Klinke sucht man als Besucher an der hellgrau gestrichenen Eingangstür noch vergeblich. Wenn man aber erst einmal drin ist in dem 434 Jahre alten Gebäude, zeigen einem Ulrich Maag und seine Frau Ramona Schwedler-Maag gerne ihr kleines Reich, das sie sich hier auf rund 200 Quadratmetern geschaffen haben.

Seit dem Auftakt zu den Sanierungsarbeiten im Januar 2017 sind nicht nur die alten, schief im Wind hängenden, grünen Fensterläden und die  eingeschlagenen Fensterscheiben verschwunden, sondern auch manche Hinterlassenschaft ungebetener Gäste aus der Zeit, in der das Haus zunehmend verwahrloste. Noch im Flur nämlich zeigt Ulrich Maag mit der Hand nach oben und sagt: "Direkt über uns war früher eine Toilette und da waren noch Exkremente drin."

Knorrige Balken sorgen für Gemütlichkeit

Stolz auf das neue alte Haus: Ulrich Maag und seine Stieftochter Nadja Schwedler wohnen in einem Bauernhaus aus dem Jahr 1584.

Stolz auf das neue alte Haus: Ulrich Maag und seine Stieftochter Nadja Schwedler wohnen in einem Bauernhaus aus dem Jahr 1584. © Michael Matejka

Auch die Bausubstanz hielt manche unschöne Überraschung für die Eheleute bereit: Der hintere Giebel etwa drohte bereits wegzukippen. Doch Ulrich Maag, von Beruf Baustatiker, ließ sich davon nicht bange machen: Heute stützt ein neuer Anbau an der Rückseite den einst umsturzgefährdeten Giebel. Unter dem ganzen Haus wurden neue Fundamente gelegt, vorher "standen die Wände nahezu ohne Fundament auf dem Dreck".

Man sieht dem Holz des Fachwerks die Zeit seit 1584 an, die Balken sind knorrig und rissig geworden. Aber durch ihre angenehme rotbraune Färbung und ihre von den Spuren der Jahre gezeichnete Oberfläche verbreiten sie unwillkürlich eine vertraute Gemütlichkeit, wie sie in Neubauten auch mit viel Mühe einfach nicht hinzubekommen ist. Außerdem halfen die alten Balken dabei, das Alter der Hauses zu bestimmen: Mit einem herausgebohrten Stück aus einer dicken Pfette unter dem Dach und einer Jahresring-Analyse konnte das Baujahr des Hauses auf das Jahr 1584 datiert werden.

Seit Mitte Dezember wohnen Ulrich Maag, Ramona Schwedler-Maag und Tochter Nadja Schwedler nun in dem Haus, das immer noch nicht ganz fertig ist. Nicht nur die Türklingel ist noch nicht an ihrem Platz, auch im Bad fehlen rund um die beiden Waschbecken ein paar Fliesen und im denkmalgeschützten Gewölbekeller liegt viel Schutt herum. Den historischen Keller müssen die Maags nach einer Auflage der Denkmalbehörde erhalten, der Schutt soll noch wegkommen.

Flasche Sekt zum Einzug

So schlimm sah das heutige "Schmuckkästchen" in der Ziegelsteinstraße 185 vor der Sanierung aus. Seit Januar 2017 hat sich hier eine Menge getan.

So schlimm sah das heutige "Schmuckkästchen" in der Ziegelsteinstraße 185 vor der Sanierung aus. Seit Januar 2017 hat sich hier eine Menge getan. © privat, Ulrich Maag

Was dem Besucher sofort auffällt, sind die hellen, weiten Innenräume. Trotz eher kleinen Fenstern und niedrigen Decken ist es im Haus nicht dunkel: Großen Anteil am luftigen Raumgefühl haben die weiß getünchten Wände, auf deren Optik Ulrich Maag besonders stolz ist. "Wir haben mit mehreren Kalkschichten übereinander versucht, eine Oberfläche hinzubekommen, die alt aussieht." Das Experiment ist geglückt. Auch die scheinbar frei im Raum schwebende Treppe ins Obergeschoss vermittelt ein Gefühl von Offenheit und Weite.

Auch den Ziegelsteinern gefällt das Ergebnis der Sanierungsarbeiten in dem Haus mit der Nummer 185: "Wie wir eingezogen sind, kam gleich eine Nachbarin mit einer Flasche Sekt vorbei", erinnert sich Ramona Schwedler-Maag. Und im Volksmund nenne man ihr Haus "Schmuckkästchen". Ob es noch einmal 434 Jahre stehen bleibt, kann keiner sagen. Aber zumindest die nächsten 100 Jahre scheinen gesichert zu sein.

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