6. Dezember 1961: Bahnhof Doos: D-Zug entgleiste

6.12.2011, 07:00 Uhr
6. Dezember 1961: Bahnhof Doos: D-Zug entgleiste

© Slevogt, Ulrich

Das Unglück geschah – um 2.24 Uhr – gerade in dem Moment, als der mit Fahrgästen besetzte Waggon über die verhängnisvolle Weiche gerollt war. So betraf es nur die beiden Postwagen, die am Schluß des Zuges liefen und in denen sich zufällig auch keine Beamten befanden. So blieb es auch glücklicherweise bei einem relativ geringen Sachschaden.

Nur zweieinhalb Stunden später war erneuter Alarm bei der Bundesbahndirektion: auf der Strecke Nürnberg-Neuhaus, in dem zur Zeit nur eingleisig befahrbaren Abschnitt zwischen Velden und Neuhaus, war – infolge eines Achsbruchs – ein Wagen eines Güterzuges ebenfalls entgleist. Auch hier gab es keinen Personenschaden. Tot unter den Rädern des Personenzuges aus Simmelsdorf lag, weitere drei Stunden später, auf dem Bahnsteig 6 des Nürnberger Hauptbahnhofs der 51jährige Angestellte Georg W.: er hatte sich in selbstmörderischer Absicht vor die Lokomotive geworfen.

Die Elektrolok eines Personenzuges, der kurz nach Mittag zwischen Nürnberg und Treuchtlingen verkehrt, geriet gestern beim Bahnhof Mühlstetten im Landkreis Weißenburg in Brand. Mit Handfeuerlöschern und einem Tanklöschfahrzeug wurde der Brand bekämpft. Es entstand nur geringer Schaden. Die Bundesbahn vermutet, daß beim Bremsen Funken in die Oelwanne unter dem Wagen geraten sind. Nach einstündiger Pause wurde der Zug per Dampflok weiterbefördert.

6. Dezember 1961: Bahnhof Doos: D-Zug entgleiste

© Slevogt, Ulrich

Es war ein schwarzer Tag für die Nürnberger Bundesbahndirektion: eine solche Häufung von Unglücksfällen hat es seit vielen Jahren nicht mehr gegeben. In der Folge dieser Ereignisse erhielten Dutzende von fahrplanmäßigen Zügen erhebliche Verspätungen; einige mußten sogar ganz ausfallen.

Im einzelnen ist über die Vorfälle noch zu berichten: Der D 87 war bei der Durchfahrt in Doos auf ein Überholgleis gewiesen worden, weil die Hauptstrecke durch einen anderen, langsamfahrenden Zug blockiert war. Er war hinter dem Bahnhof, etwa beim Übergang Siegmundstraße, bereits wieder auf das Hauptgleis eingeschwenkt, als die Fahrgäste plötzlich von einem gewaltigen Ruck durchgeschüttelt wurden: die beiden letzten Wagen waren abgerissen worden, und der Bruch der Bremsschläuche hatte automatisch eine rasche Notbremsung bewirkt.

Im Dooser Stellwerk hatte nämlich der diensttuende Beamte – er wird sich deswegen zu verantworten haben – in dem Bestreben, den zweiten Zug möglichst schnell wieder auf die Strecke zu bringen, und in der Annahme, der D 87 sei bereits in seiner ganzen Länge über die Weiche, den Hebel um den Bruchteil einer Sekunde zu früh umgestellt und damit, wie der korrekte Ausdruck lautet, „die Fahrstrecke aufgelöst“, ehe noch die beiden Postwagen auf das neue Gleis gerollt waren. Sie liefen aus der Richtung und sprangen aus den Schienen; mit lautem Krach fiel der hintere Waggon um.

Aus dem Schlaf gerissen und verstört, erfüllten gleich darauf die Passagiere des D-Zugs den Gleiskörper und atmeten erleichtert auf, als sie den glimpflichen Ablauf der Geschichte erkannten. Sie konnten schon nach 50minütigem Aufenthalt ihre Fahrt fortsetzen. Das Gleis Nürnberg-Fürth war jedoch, obwohl der Gerätezug aus dem Bahnbetriebswerk Nürnberg-Hauptbahnhof schon kurz nach dem Unfall zur Stelle war und die Bergungsarbeiten sofort begannen, bis 11.20 Uhr gesperrt; in der Zwischenzeit wurde der gesamte Zugverkehr über das Nebengleis geführt oder über den Rangierbahnhof umgeleitet.

37 Züge erhielten dadurch eine durchschnittliche Verspätung von 20 Minuten; einige Nahpersonenzüge konnten wegen der Überlastung der Strecken gar nicht fahren. Der andere Unfall ereignete sich genau um 4.57 Uhr: zwischen Neuhaus und Velden blieb der Güterzug, dessen einer Wagen entgleist war, unglücklicherweise genau auf dem Streckenabschnitt liegen, der wegen Tunnelbauarbeiten ohnehin nur eingleisigen Betrieb erlaubt. Kurzerhand beseitigen die Bergungsarbeiter die Tunnel-Baugerüste.

So konnte hier, obwohl diese Maßnahme der Bundesbahn eine erhebliche finanzielle und zeitliche Mehrbelastung für den Tunnelbau erringt, der Verkehr bereits um 5.55 Uhr wieder – eingleisig aufgenommen werden. Jedoch mußte der Eilzug Bayreuth-Nürnberg, der vornehmlich im Berufsverkehr benützt wird, über Lichtenfels-Bamberg umgeleitet werden und erhielt dadurch volle zwei Stunden Verspätung. Der Todesfall im Hauptbahnhof spielte sich vor den Augen zahlreicher entsetzter Menschen ab, die auf den Bahnsteigen auf ihre Züge warteten. Der Unglückliche – der sich aus noch unbekanntem Motiv, jedoch in eindeutiger Freitodabsicht – vor die Lok geworfen hatte, wurde sofort getötet. Anhand einer Straßenbahn-Monatskarte, die er bei sich hatte, konnte er von der Bahnpolizei gleich identifiziert werden.

Aus den Nürnberger Nachrichten vom 6. Dezember 1961

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