8. April 1965: Wer bedient den Gast?

8.4.2015, 07:00 Uhr
8. April 1965: Wer bedient den Gast?

© Ulrich

Gestern waren 9.000 Angehörige und Freunde des Gastgewerbes durch die mit Waren vollgestopften Hallen unterwegs: die Kennzeichen an ihren Autos – Parkplätze sind bei dieser üppigen Messe die einzige Rarität – bezeugten ihre oft weiten Anfahrtswege.

Nicht mit dem Wagen, sondern zu Fuß waren drei Hausfrauen gekommen, die über einen Reigen von delikat garnierten Platten ihr kritisches Feinschmecker-Urteil abgeben sollten. Wer dem Ergebnis der offiziellen Jury (in Punkten) am nächsten kommt, so hieß es, ist eines Preises sicher. Stillvergnügt holte sich eine „Magenbitter-Garnitur“ die Nürnbergerin Else Heintze, die auf eine „gespickte Rindslende, Gärtnerinnen-Art“ getippt hatte.

Rostbedarf namens „Glückspilz“

In die zwei weiteren Prämien – ein Schlemmermahl im Schlaraffenland – teilten sich Anna Walz aus Banderbach bei Zirndorf, der es ein Rostbeef namens „Glückspilz“ angetan hatte, und Frau Lisbeth Isach, die sich beim Anblick einer dekorierten „Kalbshaxe für zwei Personen“ gütlich tat. „Wissen´s auch warum?“, sagte die 68jährige Rentnerin aus Leuterskirch im Erzgebirge, die zum Besuch ihrer Schwester nach Nürnberg gekommen ist, „weil ich bei mir daheim lange schon keine gesehen habe!“ Ein bißchen ungläubig, aber froh und mit roten Bäckchen genoß sie das feine Wurst-Allerlei, das ihr als Preis fürs Mitmachen serviert wurde.

Gestern war es auch, daß der Vorsitzende des Bayerischen Hotel- und Gaststätten-Verbandes, Xaver Heilmannseder aus München, allen Beteiligten an dieser eindrucksvollen und für viele auch erfolgreichen Schau seine Anerkennung über das Niveau der Messe aussprach. Er versicherte, daß 1970 eine ähnliche Veranstaltung wiederum in Nürnberg veranstaltet werde. „Der Blick wird geweitet“, sagte er und: „Wir haben alle einen Gewinn!“ Freilich müssen inzwischen, nachdem durch die neue Direktverbindung auf der Autobahn Frankfurt-Nürnberg eine „Sternstunde“ im besonders nordbayerischen Fremdenverkehr erwartet wird, noch viele interne Schwierigkeiten behoben werden. Dabei steht der Mangel an Bedienungskräften an erster Stelle. „Uns fehlen gegenwärtig 1.000 Kellnerlehrlinge!“, erklärte Heilmannseder.

„Unser Beruf ist interessant“

Wer soll, wenn alle 213.000 „gesamtbayerischen Betten“ belegt sind und die 36.500 gastfreundlichen Betriebe mit ihren 130.000 Beschäftigten nicht mehr zurechtkommen, wer soll dann Forelle „Spezial“, Chateaubriand „King George“ und die flambierten Pfirsiche servieren, wenn zu wenig Fachkräfte da sind, die sie den anspruchsvollen Gästen auftragen? Dieses Problem muß noch gelöst werden.

„Dabei ist unser Beruf interessant und abwechslungsreich!“, sagen drei Anhänger der „schwarzen Fakultät“, unterschiedlich alt und von uns zu einem gemeinsamen Gespräch eingeladen: der 80jährige, inzwischen pensionierte Johann Zänkel, der schon Kaiser Wilhelm II., Großherzöge, Fürsten, den Zar von Rußland und andere Majestäten dezent bedient hat, der 38jährige Oberkellner Helmut Landsberger von den Hauptbahnhof-Gaststätten mit seinem meist vielgereisten Publikum und der 15jährige Stift Karl-Heinz aus dem Grand-Hotel.

„In kaum einem anderen Beruf als in diesem kann man so viele intensive Erfahrungen im Umgang mit Menschen sammeln!“, sagen sie wiederum wie aus einem Mund. Das Format, das der Kellner in der Welt gewinnt, dient ihm ebenso wie dem Gast . . .

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