9. Februar 1966: Mit neuen Ideen für Langwasser

9.2.2016, 07:00 Uhr
9. Februar 1966: Mit neuen Ideen für Langwasser

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In den beiden Städten erkannten die Nürnberger zwar, daß sich – ganz abgesehen von dem auf der grünen Wiese gelegenen Main-Taunus-Zentrum – weder das Elbe-Einkaufszentrum noch das Kultur- und Geschäftszentrum der Nord-West-Stadt in der Mainmetropole kurzerhand auf den einheimischen Boden umtopfen lassen. Dennoch nutzte die Reise wegen der vielen Ideen, die gleichartige Vorhaben anderswo bergen und bei den eigenen Plänen verwirklicht werden können.

„Wenn eine gute Geschäftslage entstehen soll, müssen Architekten, Finanzfachleute und Volkswirtschaftler zusammenarbeiten“, beschreibt Diplom-Volkswirt Josef Haas, der Direktor der Gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft der Stadt Nürnberg (WBG), eine wichtige Erfahrung. Die Baureisenden – das Stadtoberhaupt, die Referenten Dr. Dr. Georg Zitzmann, Heinz Schmeißner und Dr. Max Thoma, Stadträte aus dem WBG-Aufsichtsrat, WBG-Direktor Josef Haas mit technischen und kaufmännischen Mitarbeitern – betrachteten weniger die architektonischen Formen. Es ging ihnen vielmehr um volks- und betriebswirtschaftliche Lösungen, um Verkehrsanschlüsse und nicht zuletzt um die Antwort, wie für solche Projekte das nötige Geld herbeigeschafft werden kann.

Sie fanden überall, daß zunächst wie in Langwasser die Grundversorgung der Bevölkerung durch kleine Nebenzentren sichergestellt wird, ehe man an die „großen Brocken“ herangeht. Weil aber in jeder Stadt andere Voraussetzungen gegeben sind, wandelt sich die Methode.

Alte und neue Stadtteile säumen das konventionell wirkende Elbe-Einkaufszentrum an der Olsdorfer Straße in Hamburg, das sowohl die Innenstadt entlastet als auch den Bedarf der neu Zugezogenen deckt. In der Nachbarschaft attraktiver Einrichtungen wie der Bowlingbahn oder dem Kindergarten leben auf 30.000 Quadratmeter Nutzfläche 70 Handelsbetriebe. Entlastung der Innenstadt und Befriedigung des neuen Bedarfs: diese Ziele haben auch bei der Anlage in der Frankfurter Nord-West-Stadt Pate gestanden. Allerdings bedienen sich die Hessen eines gänzlich anderen Gewandes. Aus eng verzahnten und ineinandergeschachtelten Bauten entsteht in mehreren Ebenen ein Mittelpunkt, der 90.000 Quadratmeter Platz bietet und dessen Baukosten von 120 Millionen DM von einem Bankenkonsortium finanziert werden. Es gibt Fußgängerzonen, ein Gemeinschaftshaus, ein Hallenbad, Wohnungen (auch für Studenten) und viele Geschäfte – vom Supermarkt bis zum Bekleidungshaus.

Zwei Vorzüge imponierten den Besuchern am meisten. An allen Ecken und Enden herrscht gleich gute Geschäftslage, ein Resultat überlegter Anordnung der Bauten. Erschlossen wird das Zentrum durch die Schnellbahn mit einer einzigen Haltestelle. Die Nürnberger entschlossen sich deshalb gleich an Ort und Stelle, anstatt der früher geplanten zwei U-Bahn-Stationen nur eine vorzusehen.

In Hamburg schlossen die Reisenden dafür Bekanntschaft mit einer Finanzierungsform, die schon früher einmal daheim für den Wohnungsbau erwogen worden war. Die Hansestädter bedienten sich des „Hausbesitzerbriefes“, ein Zinsen garantierendes, wertbeständiges Papier, das den Käufern Kapitaleigentum verschafft. „Das ist in Hamburg gut gemacht worden“, schwärmt Direktor Haas.

Trotz der Erkenntnis, daß keines der besichtigten Zentren kopiert werden kann, wollen die Nürnberger doch einige Rosinen herauspicken, um sie im eigenen „Planungskuchen“ zu verbacken. Langwasser soll einen Mittelpunkt erhalten, der nicht allein durch architektonische Formen, sondern auch mit einem genau kalkulierten Angebot an Geschäftsfläche und sorgfältig ermittelten Branchen besticht.

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