90 Minuten mit dem Lotsen eines Friedhofscaddys

28.11.2009, 00:00 Uhr
90 Minuten mit dem Lotsen eines Friedhofscaddys

© Fengler

fast lautlos, mit mäßigen 15 Stundenkilometern. An jeder Gablung ruft jemand Helmut Ott «Grüß Gott» zu. Der Caddy-Lotse ist zwar erst seit Ende September im Auftrag der Friedhofsverwaltung unterwegs – nichtsdestotrotz ist er für viele Hinterbliebene zu einer festen Institution auf dem Westfriedhof geworden. «Der junge Herr ist so nett und zuvorkommend», verrät mir eine ältere Dame beim Zwischenstopp.

«Am Anfang waren die Leute skeptisch – und wussten nicht, was das soll. Zuerst fragen mich alle: Kostet das was? Und ich sage dann: Nein, nur ein Lächeln für mich.»

Im April 2008 wurde die Initiative vom Seniorenrat und der Friedhofsverwaltung ins Leben gerufen. Auf drei städtischen Friedhöfen wie dem Westfriedhof, dem Südfriedhof und dem Reichelsdorfer Friedhof surren seither die fünf Mobile über den Kies. Das Ziel: Gerade den älteren und gehbehinderten Mitmenschen den Service zu bieten, ihre Verstorbenen bequem auf den Friedhöfen besuchen zu können. Denn mit circa 38 000 Gräbern und 45 Hektar Fläche ist der Westfriedhof für viele nur schwer zu durchqueren.

Die Resonanz ist gut: 30 bis 50 Fahrten fallen pro Fahrer an. Meist wartet Helmut Ott an einem der beiden Eingänge und schaut sich um, wem er helfen kann. Und er hält immer an, um Senioren einzusammeln, die schwer bepackt oder hilfsbedürftig sind. Das macht er jeden Tag unter der Woche, von morgens neun Uhr bis nachmittags um drei.

«Wenn ich am Feierabend in den Bus steige, freue ich mich schon wieder auf den nächsten Morgen. Ich liebe meine Arbeit, sie hat einen Sinn – hier kann ich helfen», schwärmt der ehemalige Versicherungsangestellte, der vor gut einem Jahr arbeitslos wurde. Für Trauerfeiern kann man ihn sogar über die Friedhofsverwaltung buchen. Doch Helmut Ott hat auch einen tagesaktuellen Plan, damit er weiß, wann Beerdigungen stattfinden. «Wenn ein Sarg zu Grabe getragen wird, fahre ich im Schritttempo, so dass die gehschwachen Mitglieder Teil des Trauerzuges sein können.»

«Grab 110 – das ist ganz hinten», analysiert Helmut Ott die Route für Waltraud Wünsch und ihre Schwiegertochter Hannelore. Mit Gießkanne, Blumen und Rechen sind die Damen für die Grabpflege schwer bepackt. Seit zehn Jahren besuchen sie den verstorbenen Ehemann und Sohn. «Die Strecke ist weit und mit dem Gepäck so beschwerlich. Deswegen ist der Service eine große Erleichterung für uns.» An der Ruhestätte angekommen, steigt Helmut Ott mit aus und hilft beim Ausladen. Vorsichtig fragt er nach der Todesursache des damals erst 45-Jährigen. «Mir tut so etwas im Herzen weh», sagt er.

Helmut Ott nimmt ehrlichen Anteil an den Schicksalen der Hinterbliebenen – gibt ihnen Hoffnung und versucht, «in das Kalte des Friedhofs etwas Warmes zu bringen.» Er will die Trauernden zumindest für ein paar Minuten von der Tristesse der Begräbnisstätte ablenken. Dabei ist er nie aufdringlich. Gerade wenn ihn ältere Damen sehen, breitet sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht aus. Helmut Ott ist mehr als ein Chauffeur. Er ist die gute Seele und gerne auch der gute Freund, der eine Stütze in schweren Zeiten ist.

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