Abgeschälte Bäume sollen sterben

8.7.2012, 07:59 Uhr
Abgeschälte Bäume sollen sterben

© Prill

Alfred Riedel aus Pillenreuth und andere Stadtteilbewohner dachten angesichts der gründlich abgeschälten Bäume natürlich sofort, dass ein Baumhasser hier sein Unwesen getrieben hat. Zuletzt hatten nämlich letztes Jahr im September in der Zugspitzstraße in Langwasser zunächst Unbekannte rund 30 Stämme von Eichen und Hainbuchen auf einem Grundstück der städtischen Wohnungsbaugesellschaft wbg entrindet. Wie sich bald herausstellte, waren zwei Jugendliche die Täter. Auch ein Stamm am Nordring, Ecke Bucher Straße, war auf ähnliche Weise „skalpiert“ worden.

Umso erstaunter war Riedel, als er durch einen Anruf beim Bürgeramt Süd erfuhr, dass die Stadt selbst die schützende Borke der Robinien am Marthweg entfernt hatte. Der Anwohner konnte sogar mit dem „Schuldigen“ sprechen: Manfred Spieß vom Servicebetrieb Öffentlicher Raum (Sör) erklärte ihm, dass die Bäume nicht zu dem Projekt „Blühende Straßenränder“ passen. Es sei gewollt, dass sie austrocknen und eingehen. „Wenn man die Bäume einfach fällt, dann treiben sie wieder aus“, begründet Spieß die Wahl dieser drastischen Maßnahme. Auch einzelne Föhren würden am Marthweg noch entfernt. „Die großen Bäume bleiben stehen“, verspricht Spieß.

Für das Projekt zuständig ist das städtische Umweltamt. „Biodiversität entlang von Straßen“ ist der offizielle Titel. „Damit wollen wir den Schwund der Artenvielfalt aufhalten“, erläutert Vera Boser, Leiterin der Unteren Naturschutzbehörde. Vorbild ist die Stadt Bamberg, die schon im Jahr 1999 damit begonnen hat, entlang von Hauptverkehrsstraßen die eintönigen Rasenbankette in blühende Straßenränder zu verwandeln. Auf dem sandigen Bodenmaterial entstanden Sandmagerrasen mit mittlerweile über 400 standortgerechten Pflanzenarten, darunter seltene und bedrohte Arten. Die Flächen werden nur selten gemäht, auf Dünger und Pestizide wird verzichtet.

Auch in Nürnberg gibt es bereits an einigen Straßenabschnitten solche Sandmagerrasenflächen, etwa in der Gleiwitzer, Trierer oder Wiener Straße. Allerdings stellte sich heraus, dass die Umsetzung des Projekts gerade an engen, hochfrequentierten, innerstädtischen Straßenzügen nur schwer bis gar nicht möglich ist. So wurde etwa der Mittelstreifen der Äußeren Bayreuther Straße immer wieder von Fußgängern als Querungshilfe „missbraucht“, was den Pflanzen natürlich schadete.

Deshalb hat die Stadt nun einen Außenbereich, den Marthweg, als Musterstrecke ausgesucht. „Wir wollen hier die Natur erlebbar machen — quasi im Vorbeifahren“, sagt Boser. Die Flächen hätten erhebliches ökologisches Entwicklungspotenzial. „Die Robinien würden die Vielfalt allerdings unterdrücken, wir haben hier andere Ziele“, begründet Boser den ungewöhnlichen Eingriff.

Alfred Riedel kann die Argumente der städtischen Experten zwar nachvollziehen. Allerdings fürchtet er, dass die Abschälaktion an anderer Stelle unbefugte Nachahmer finden könnte. „Wieso stellt die Stadt hier keine Schilder auf, um die Bewohner zu informieren?“, fragt Riedel.

 

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