Aida-Chef plädiert für kreative Ideen in der Urlaubsbranche

27.2.2017, 13:39 Uhr
Boris Brandt ist Chef für das Entertainment auf Aida-Kreuzfahrtschiffe.  Als Gastredner sprach er beim vbw-Frühjahrsgespräch in Nürnberg.

© dpa Boris Brandt ist Chef für das Entertainment auf Aida-Kreuzfahrtschiffe. Als Gastredner sprach er beim vbw-Frühjahrsgespräch in Nürnberg.

Dass sich die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) für ihr Nürnberger Frühjahrsgespräch zum Tourismus in Bayern für Gastredner Borris Brandt entschieden hatte, war für manchen Teilnehmer nicht sofort nachvollziehbar. Brandt ist heute Chef für das Entertainment auf Aida-Kreuzfahrtschiffen, hatte aber seine Karriere im TV- und Filmbereich gemacht. Seine Kernthese vor den gut 100 Gästen: "Entertainment ist die unterhaltsame Verpackung für ein Geschäft", egal ob Reisen oder Stühle verkauft werden sollen.

Deshalb hält er sich auch nicht mit den operativen Problemen der Hotel- und Gastrobranche auf. Auf der Klageliste der Branche stehen beispielsweise Nachwuchsprobleme, die hohe Abbrecherquote in der Ausbildung, Mindestlohn und die damit ausgelöste, zusätzliche Bürokratie.

Schöne Geschichten servieren

Brandt spricht lieber über seinen Ansatz "Storytelling", also den Gästen eine schöne Geschichte zu servieren. Wer einfach nur handwerkliches Bier serviert und auf das Reinheitsgebot verweist, könne vielleicht noch bei älteren Gästen punkten, die das als Wert an sich schätzen. Für jüngere Kunden müsse die Story zum Beispiel auf das Kommunalbier verweisen, "das irgendwie allen gehört".

Entscheidend für das Entertainment mit Geschichten ist für den gelernten Hamburger Werbekaufmann, das "Aufmerksamkeitsgefälle" zu berücksichtigen. In den 1980er Jahren war das Fernsehen noch das "familiäre Lagerfeuer", eine Unterhaltung nebenbei war verpönt. Heute ist Fernsehen eine Nebensache geworden, nebenbei wird "gedaddelt", so dass nur noch leichte Inhalte konsumiert werden können. Ein episches Fernsehintro wie früher von 30 Minuten kann heute keinen mehr in den Bann ziehen, heute muss die Geschichte in sieben Sekunden klar sein – oder das Interesse geht verloren.

Weniger Aufmerksamkeit, dafür eine bessere Verpackung, die das Interesse weckt: Brandt veranschaulicht das an der Werbung für eine einsame Berghütte.

Man könne natürlich die Leistung mit "vier Betten, Bad und WC" beschreiben. Er favorisiert lieber "Familienglücksuite mit allem Komfort" in "einzigartiger Lage im Naturparadies".

Auch vor Aussagen wie "300 regenfreie Tage" schreckt er nicht zurück. Selbst wenn es bei einem kritischen Besucher dann mal regnet, kann man noch auf Pech verweisen. Überhaupt sieht er darin einen gesellschaftlichen Trend, dass Aussage und Realität nicht unbedingt zusammenpassen müssen. "133 Lügen vom US-Präsidenten machen nichts aus", stellt er fest. Das werde man auch in Deutschland noch erleben, auch wenn er mittelfristig auf einen "starken Wert Wahrheit" hofft.

Schwärmereien und Selfies

Im Fokus für jeden Tourismusanbieter müsse die Frage stehen, "welche Geschichte erzählt mein Gast am ersten Tag nach seinem Urlaub". Nur wenn der Urlauber dann über "Heukissen, Panoramablick oder Ziegenstreicheln" gegenüber Nachbarn oder Kollegen schwärmt, war der Urlaub erfolgreich. Außerdem sollten dann natürlich schon viele Selfies in den sozialen Netzwerken kursieren, die den Besucher mit "Kissen, Schokoladenherz und Blüten" oder einem zum "Elefanten gefalteten Handtuch" zeigen.

Auf den Aida-Kreuzern gibt es beispielsweise am Boden markierte, sogenannte "Selfie-Points", an denen sich die Reisenden selbst inszenieren können – aber immer auch das Schiff.

Drei Highlights reichen

Für die Urlaubszeit selbst empfiehlt Brandt drei Highlights, mehr könne sich ein Gast gar nicht merken. "Der Gast muss rausgehen und wissen, dass es gut war", so sein Rat. Im Zweifelsfall "muss ich es ihm bewusst machen". Hilfreich sind auch kleine Aufmerksamkeiten, wie persönliche Anrede und Service beim Frühstücksei oder die "Post-Holiday"-Aktivität, nämlich nachzufragen, ob der Gast eine gute Heimreise hatte. Dafür kann zwar ein Urlaubsanbieter nichts, zeigt aber dem Gast: "Wir kümmern uns".

Auch bei Kooperationen denkt der marketinggetriebene Entertainment-Experte über eingefahrene Gleise hinaus. Warum kooperiert kein Hotel aus dem nordfriesischen St. Peter-Ording mit einem fränkischen Partner, um je nach Saison die Kunden bedienen zu können? Gerade in politisch unsicheren Zeiten gibt es viele neue Möglichkeiten für Urlaub in Deutschland.

 

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