Alkoholverbot in der Nürnberger Altstadt könnte schwierig werden

15.4.2014, 05:58 Uhr
Nachtschwärmer vor einem Club in der Klaragasse: Auch dieser Bereich wäre durch die geplante städtische Verordnung als Alkoholverbotszone ausgewiesen.

© Berny Meyer Nachtschwärmer vor einem Club in der Klaragasse: Auch dieser Bereich wäre durch die geplante städtische Verordnung als Alkoholverbotszone ausgewiesen.

"Es ist eine sehr weitreichende Maßnahme", sagt der stellvertretende Leiter des städtischen Ordnungsamts, Robert Pollack. "Wir machen uns die Entscheidung nicht leicht." Am 21. Mai wollte das Ordnungsamt eigentlich den Stadträten des Rechts- und Wirtschaftsausschusses einen Entwurf vorlegen. Diesen Termin könne man aber nicht halten, so Pollack. "Wir müssen uns die polizeilichen Erhebungen noch einmal genau anschauen und das Gespräch mit allen Fraktionen suchen."

Das Ordnungsamt plant, regelmäßig für die Zeit von 22 bis 6 Uhr in bestimmten Zonen in Nürnberg den Konsum alkoholischer Getränke in der Öffentlichkeit zu verbieten. "Die Überlegungen sind schon weit gediehen", sagt Pollack. Demnach gibt es drei konkrete Bereiche, in denen das Alkoholverbot gelten soll. Der erste betrifft das Diskogelände am Nürnberger Kohlenhof sowie das Umfeld. Bereich Nummer zwei schließt das Klingenhofareal rund um die dort angesiedelten Diskotheken ein. Und der dritte Bereich soll möglichst die gesamte Altstadt umfassen. "Wir wollen die Altstadt nicht teilen", so Pollack. Von dem Verbot ausgenommen wären genehmigte Freischankflächen, wie etwa der Christkindlesmarkt oder die Außenbereiche von Gaststätten.

Saufgelage verunsichern Bürger

“Junge Leute haben wenig Geld, die Getränke in den Diskotheken sind oft teuer", sagt die Pressesprecherin der Polizei Mittelfranken, Elke Schönwald. Sie trifft damit den Kern eines Jugendphänomens, das in allen deutschen Großstädten auftritt: exzessives öffentliches Trinken. "Wir können seit Jahren feststellen, dass der Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit zunimmt”, berichtet Schönwald.

Diese Entwicklung wollen die Polizei und die Stadt, die beide gemeinsam für die öffentliche Sicherheit zuständig sind, fortan nicht mehr tolerieren. Denn der ausufernde öffentliche Alkoholkonsum gehe einher mit vielen Problemen, Ordnungswidrigkeiten und Beschwerden und rufe bei vielen Menschen Unsicherheit hervor, sagt Robert Pollack vom Ordnungsamt.

Wer sein Feierabendbier gerne am Fuße der Burg trinkt, könnte dies wohl auch trotz eines Verbots weiter unbehelligt tun. “Ob bei Verstößen eingeschritten wird, steht im pflichtgemäßen Ermessen der Sicherheitsbehörden”, erklärt Pollack. Ziel sei es, den Auswüchsen des öffentlichen Trinkens entgegenzutreten. Auch die Polizei würde das Verbot begrüßen.

“Alkohol macht aggressiv”, konstatiert Polizeisprecherin Schönwald. Bei öffentlichem Alkoholkonsum könne die Polizei bisher nur dann wirklich eingreifen, wenn es zu einer Störung komme. In den drei angedachten Bereichen registriere man gerade in den Nächten am Wochenende überdurchschnittlich viele Gewaltdelikte, bei denen die Täter alkoholisiert seien, so Schönwald. Im Disko-Umfeld und in der Altstadt stehen laut Polizei etwa 72 Prozent der Gewalttäter, die im öffentlichen Raum zuschlagen, unter Alkoholeinfluss. Auf die ganze Stadt gerechnet sind es 60 Prozent.

Alkoholverbot in der gesamten Altstadt rechtswidrig?

Unter anderem mit diesen Zahlen will sich das Ordnungsamt auf Artikel 30 des Bayerischen Landesstraf- und Verordnungsgesetzes (LStVG) berufen und eine Verordnung erlassen. Artikel 30 gibt es noch nicht lange. Er wurde durch eine Gesetzesänderung erst am 8. Juli 2013 in das LStVG aufgenommen. Demnach können Gemeinden “auf bestimmten öffentlichen Flächen [...] den Verzehr alkoholischer Getränke [...] verbieten, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass dort auf Grund übermäßigen Alkoholkonsums regelmäßig Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Bedeutung oder Straftaten begangen werden.”

Die Nürnberger Anwältin für Verwaltungsrecht, Beate Grün, bezweifelt, dass das Alkoholverbot in der geplanten Form überhaupt rechtswirksam wäre. "Artikel 30 ist kein Freibrief", sagt Grün. Das Problem dabei sei, dass konkrete Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um die Verordnung zu rechtfertigen, so Grün. Es muss sich um eine klar definierte Fläche handeln, auf die sich beispielsweise viele alkholbedingte Eigentums- oder Körperverletzungsdelikte konzentrieren - und zwar regelmäßig. Dies müsse erst einmal durch spezifische Zahlen nachgewiesen werden, sagt die Juristin.

Bei den zwei zur Debatte stehenden Diskotheken am Kohlenhof und auf dem Klingenhofareal dürfte die Polizei nach Ansicht von Beate Grün über genügend Material verfügen. Die Rechtsanwältin geht jedoch davon aus, dass die Statistiken nur ein Verbot direkt am jeweiligen Diskogelände rechtfertigen. "Alles andere wird schwierig", sagt sie und ergänzt: "In den Anlaufzonen wird es sehr, sehr differenziert zu betrachten sein." Selbst wenn das Ordnungsamt ein großflächigeres Alkoholverbot ausspricht, bedeute das nicht, dass die Verordnung auch rechtswirksam sei, so Grün.

Sicher ist sich Beate Grün nur : "Wenn man die gesamte Altstadt zur Sperrzone macht, das wäre nicht durch Artikel 30 gedeckt." Selbst wenn das doch noch der Fall sein sollte, wäre es nicht verhältnismäßig, so Grün. Denn es habe stets eine allgemeine Verhältnismäßigkeitsprüfung stattzufinden zwischen den Freiheitsbedürfnissen der Verbotsbetroffenen und den Interessen der Allgemeinheit, sagt die Juristin. Ein Alkoholverbot in der gesamten Altstadt könne gar nicht hinreichend begründet werden. "Dafür reichen die normalen Statistiken nicht aus", erklärt Grün.

Sie versteht nicht, warum sich die Polizei für das Verbot starkmacht. "Der Vorteil, den man jetzt hat, ist, dass man weiß, wo die Problembereiche sind", sagt die Anwältin. Durch die Alkoholverbotszonen würden die Jugendlichen einfach ausweichen. "Ich weiß nicht, ob man das danach noch so kanalisieren kann." Für Grün stellt sich die Frage, "ob die Polizei sich überfordert fühlt." Denn eigentlich mache das Verbot nur dann Sinn. Das große Problem mit den jugendlichen "Komasäufern" bekomme man durch ein Alkoholverbot nicht in den Griff. "Die Frage ist doch auch, ob wir Nürnberg zur Provinzstadt machen wollen“, sagt die Rechtsanwältin.

Probleme bei der Umsetzung

Nürnberg wäre nicht die erste Stadt, die öffentlichen Alkoholkonsum per Verordnung einschränkt. Nach dem Berliner Straßengesetz von 1999 war es in der Hauptstadt nicht mehr gestattet, in der Öffentlichkeit Alkohol zu konsumieren. Mitte 2006 wurde das Gesetz wieder aufgehoben. Deutschlandweit für Aufsehen sorgte in diesem Zusammenhang ein spektakuläres Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg in Mannheim. Das Gericht kippte im Juli 2009 ein durch die Stadt Freiburg verhängtes und erst im Januar 2008 in Kraft getretenes Alkoholverbot. Dieses sei zu pauschal und daher unzulässig, urteilten die Richter.

Als in Berlin dann vor einiger Zeit über eine Wiedereinführung des Straßengesetzes diskutiert wurde, warnte die amtierende Berliner Drogenbeauftragte Christine Köhler-Azara gegenüber der Nachrichtenagentur dpa vor den Problemen bei der Umsetzung eines Alkoholverbots: "Wenn das Verbot nicht umgesetzt wird, wäre das kontraproduktiv, weil die Jugendlichen dann den Eindruck hätten, dass die Erwachsenen nur groß tönen, aber nichts tun." Wegen mangelnder Kapazitäten meldeten deswegen auch die Polizei und die Berliner Ordnungsämter Bedenken an. Die Diskussion war beendet, das Alkoholverbot vom Tisch. Berlin setzt seither auf Prävention.

Die Frage nach der Umsetzung stellt sich natürlich auch in Nürnberg. Zuständig dafür ist in erster Linie die Polizei. Ob das Verbot mit den vorhandenen Kapazitäten in aller Konsequenz durchgesetzt werden kann, ist unklar. Auf diese drohende Problematik angesprochen, gibt sich Polizeisprecherin Elke Schönwald kurz angebunden: “In den diskutierten Bereichen ist die Polizei bereits überdurchschnittlich präsent. Diese Präsenz soll durch die erweiterten Eingriffsmöglichkeiten unterstützt werden.” Ob die derzeitige Präsenz tatsächlich ausreicht, um die Umsetzung des Verbots gewährleisten zu können, lässt Schönwald offen. 

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