Alles so schön bunt hier... und zum Anbeißen!

23.7.2012, 11:01 Uhr
Alles so schön bunt hier... und zum Anbeißen!

© Kerstin Joswig

Denn hier liegen wild durcheinander gewürfelt ein leuchtendblauer Turnschuh neben einem Hamburger, aus dem Käse und Ketchup tropfen. Ein Schweizer Taschenmesser neben einem Pizzastück. Und ein Mikroskop wird von Alltagsgegenständen wie Schlüsselbund, Zahnbürste und Handy umrahmt.

Alles Sachen aus dem städtischen Fundbüro? Nein, sondern die Ab-schlussarbeit von Lisa Freudenthaler. 100 Quadratmeter Buntpapier und Karton, ausgeschnitten, gefaltet, ge-klebt und auch wieder verworfen, wenn sich die dreidimensionalen Ob-jekte in Originalgröße einfach nicht zusammenfügen lassen wollten.

Allein zehn Stunden hat der Hamburger aus Papier gedauert. Ganze drei Wochen die Unikate für eine einzige Seite in ihrem Fotoband. Selbst fotografiert, betextet und zu einem frechen Buch vereint: „Glücksdingsbums“, eine Reflektion über Glück und Zufriedenheit in der modernen Gesellschaft.

Die Schufterei hat sich gelohnt

„Ein wahnsinniger Aufwand!“, urteilt auch Professor Burkard Vetter von der Georg-Simon-Ohm-Hochschule. Doch die Schufterei hat sich gelohnt. Auch für weitere 51 Absolventen der Fakultät Design. Ihre Werke aus den Bereichen Cast, CGI, Entwurf, Fotografie, Film, Animation, Grafikdesign, Illustration, Multimedia sowie Text sind Bestandteil der alljährlichen Werkschau, die das Sommersemester mit einer großen Ausstellung abschließt.

Im Nebenraum wurde ebenfalls aufwändige Vorarbeit geleistet: Für fast magisch beleuchtete, großformatige Bilder aus dem Inneren von Moscheen und Kirchen, die alle Blicke auf sich ziehen. Bilder, die ein bisschen an 1001 Nacht erinnern, nur dass sie mitten in Nürnberg entstanden sind: in 16 verschiedenen Religionsgemeinschaften, von eritreisch- bis russisch-orthodox. Aufgenommen hat sie Shirin Shafiei, eine Fotografin, die aus dem Iran stammt. Ihr dazugehöriger Bildband „Hinter der Tür“ ist eine optische Bestandsaufnahme dessen, was Kirchen, Moscheen und Tempel in der Noris für Menschen sind, die aus fernen Ländern zu uns kommen: ein Stück Heimat.

Alles so schön bunt hier... und zum Anbeißen!

© Kerstin Joswig

Und eine Bachelor-Arbeit, die der lebenslustigen jungen Frau viel Fingerspitzengefühl, aber auch Hartnäckigkeit abverlangte: „Es war einige Überzeugungsarbeit nötig, bis ich die jeweilige Genehmigung der Priester für einen Besuch bei ihnen hatte“, berichtet sie. Dass sie sich oft extra verschleiert habe, hätte zwar vieles erleichtert. Aber die Menschen hätten aus Angst vor negativen Berichten in den Medien oft Angst, sich zu öffnen. „Trotzdem habe ich unglaubliche Gastfreundschaft und Lebensfreude in diesen Gemeinden erlebt.“

Jemand, der ebenfalls einen eindringlichen Blick für Bilder hat, ist Johannes Heuckeroth. Und das, obwohl er „bloß“ Hobbyfotograf ist. Für seinen 190-seitigen Bildband „Dreaming of Dubai” flog der Grafikdesigner in bester Studentenmanier kurzfristig in die Luxusmetropole: für fünf Tage, mit einem Budget von 1000 Euro. „Mehr Geld war nicht da“, witzelt er. Dennoch kann sich das Ergebnis sehen lassen: 200 atemberaubende Aufnahmen aus einer Wüstenstadt, in der dem Machbarkeitswahn hemmungslos gefrönt wird. Das Professorenlob von Burkhard Vetter – „Ein unglaubliches Buch, zwischen Wahn und Wirklichkeit!“ – hat er sich mehr als verdient.

Einer, der das Studienfach Fotografie eher mit experimentellen Fotos be-dient, ist Felix Nürmberger. Der Titel seiner Arbeit, die er „8 Minuten, 19 Sekunden“ genannt hat, ist Programm. Denn so lange braucht ein Lichtstrahl von der Sonne bis zur Erde. Und genau so lange mussten seine Probanden in einer eigens konstruierten, dunklen Box vor der Ka-mera sitzen. Die wegen der langen Belichtungszeit verwischten Kopfbilder in Schwarzweiß sind ein Spiel mit der Zeit und ihrer Wahrnehmung, das neugierig macht.

Kopfkino inszeniert auch die rein am Computer generierte Fotoserie von Christoph Kohlhas in sogenannter CGI-Technik. Von den Motiven im Hochglanzformat geht eher Verstörendes aus. Mit Absicht: Auf einem Plakat krümmt sich eine fast nackte Frau in einem Glaskasten, während sie rote Lackmasken von den Wänden anstarren. Ein anderes Motiv befremdet durch immer enger werdende Wände, die die selbe Frau bedrohlich umgeben. Mit seinen Abbildungen bedient Kohlhas aber nicht das Klischee von platten Tätlichkeiten. Auch wenn der Titel „Häusliche Gewalt“ dies vermuten lässt. Er konzentriert sich mit seinen Bildern eher auf den psychologischen Ansatz.

Und was dabei herauskommt, wenn Bilder bei Absolventen der Kategorie Film und Animation das Laufen lernen? Lustiges wie der Animations-Kurzfilm über ein Außenseiterhuhn in einer Legebatterie, das ein Riesen-Ei legt: das „Sunshine Egg“ von Michael Haas.

Ein anderes Gemeinschaftsprodukt von gleich vier Film-Aspiranten, Christine Boy, Paul Schweizer, Ro-bert Gruss und Saladin Becker, wartet mit einer so humorvoll wie schrägen Geschichte von einem Alien mit Inkontinenzproblemen auf. Direkt in die Beine geht dagegen das Musikvideo von Florian Leitl: ein audiovisueller Rundumschlag auf Seh- und Hörnerven der Zuschauer, zu wummernden Bässen einer österreichischen Band namens „Bauchklang“. Nomen ist eben immer noch Omen!

Es kann nur einen geben

Aber auch wenn unter all den Abschlussarbeiten noch ganz viele hervorragende Werkstücke sind – es kann nur Einen geben, der mit Prädikat abschließt: Jonas Schubert heißt der Glückspilz, dem mit seiner Imagefilmkampagne „Ich & Du“ für die Metropolregion Nürnberg diesmal das Kunststück gelungen ist.

Dazu Ohm-Dekan Professor Jürgen Schopper: „Wie jedes Jahr setzen sich die Professoren zusammen und überlegen, was die schönste, beste und gelungenste Arbeit war – es ist die Arbeit von Herrn Jonas Schubert!“ Unter anderem, weil der Filmstudierende für seine sieben Werbespots wochenlang unterwegs war, um auf beeindruckenden 8000 Kilometern Szenen aus der Region einzufangen. Weiteres Zuckerl für Schubert: Die Filme werden bald in den Kinos anlaufen.

Kein Wunder, dass die Professoren angesichts von so viel geballter Kreativität die Absolventen entsprechend bewerten. Schoppers Fazit aus vier Tagen Kolloquium: „Tag eins: gar nicht so schlecht! Tag zwei: lauter gute Arbeiten! Letzter Tag: Da haben wir echt Glück gehabt! – Nee, Glück hatten wir keines. Wir hatten einfach nur sehr, sehr gute Studenten!“

Die Abschlussarbeiten der Ohm-Designer sind noch Montag, 23. Juli, und Dienstag, 24. Juli,  jeweils von 9 bis 18 Uhr zu sehen: in der Galerie der Fakultät Design auf dem Campus2 der Ohm-Hochschule in der Wassertorstraße 10, Nürnberg.
 

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