"Auch in langen Ehen kann man noch flirten"

6.2.2018, 16:02 Uhr

© Foto: Gabriele Koenig

Frau und Herr Seifert, haben Christen andere Eheprobleme als andere?

Angelika Seifert: Ich gehe davon aus, dass die Probleme ähnlich sind.

Roland Seifert: Es gibt ein Grundmuster. Man denkt sich, dass der andere so sein müsste, wie ich mir das vorstelle. Er oder sie kann meine Entsprechung sein oder genau mein Gegensatz, in jedem Fall aber meine Traumfrau oder der Traummann. Und dann gibt es in der Ehe Situationen, wo Frust entsteht, oder man denkt, eine andere Person wäre doch günstiger.

 

Haben Sie das selbst schon erlebt?

Angelika Seifert: Natürlich haben auch wir schon Krisen durchlebt. Die Kinder waren da, jeder von uns hatte einen fordernden Beruf als Lehrer – wir hatten uns auseinandergelebt, auch gedanklich.

Roland Seifert: Wir machen ungern halbe Sachen, das macht es schwieriger. Der Beruf, die Kinder, das eigene Hobby – und die Ehe muss schauen, wo sie bleibt. Das geht auf Dauer nicht. Die Liebe braucht ein Fundament und das ist Zeit füreinander.

 

Widmet sich darum der erste Abend des Ehekurses der "Zeit zu zweit"?

Angelika Seifert: Ja, der Starterabend ist so etwas wie eine Bestandsaufnahme. Die Paare sollen sich besser kennenlernen.

 

Aber die kennen sich doch schon, sollte man wenigstens meinen.

Roland Seifert: Ja. Nein. Es ist erstaunlich, wie stark Menschen die eigenen Gefühlswelten auf den Partner übertragen und dadurch niemals so ganz bei dem anderen ankommen. Bei dem, was er oder sie fühlt. Viele Konflikte entstehen aus einem Missverständnis heraus. Kennen Sie das berühmte Beispiel vom Paar im Auto? Der Mann sagt: "Die Ampel ist grün." Die Frau reagiert pikiert: "Hallo! Das kann ich selber sehen." Dabei kann seine Intention eine ganz andere sein. Vielleicht hat der Mann gemeint: Beeil dich, ich habe noch einen Termin. Vielleicht will er lieber selbst am Steuer sitzen. Oder er hat bemerkt, dass seine Frau gerade geträumt hat und möchte sie aufmerksam machen. Aus solchen Situationen entstehen leicht Verletzungen oder sie vertiefen bestehende Verletzungen.

 

Es gibt Streit . . .

Angelika Seifert: Konflikte kann man bewältigen. Die einen sind cholerisch, andere ziehen sich eher zurück. Im Ehekurs sprechen wir von Nashörnern und Igeln, wobei mein Mann und ich beide eher Nashörner sind. Roland ist derjenige, der schneller wieder Gemeinsamkeit sucht. Die Kraft des Vergebens ist wichtig, vielleicht unser christlicher Aspekt, dass man immer wieder aufeinander zugehen kann.

 

Kann man Missverständnissen und Streit auch vorbeugen – und wie?

Roland Seifert: Sich Zeit füreinander nehmen, dem Gegenüber aktiv zuhören. Das üben wir an den Genussabenden ganz konkret. Es hilft dabei, persönliche Unterschiede zu erkennen und anzunehmen – und führt vielleicht sogar dahin, froh darüber zu sein, dass der Partner so ist, wie er ist. Auch in einer langen Ehe kann man noch flirten, umeinander ringen und eine Sehnsucht nach dem anderen entwickeln.

 

Ein Abend widmet sich den "fünf Sprachen der Liebe". Was ist damit gemeint?

Roland Seifert: Stellen Sie sich doch mal die Frage: Was ist Liebe für mich? Und dann fragen Sie Ihren Partner, was für ihn oder sie Liebe ist. Liebe bedeutet für Menschen ganz Verschiedenes: Für die einen ist es, Geschenke zu machen. Andere drücken Liebe durch Sexualität und Zärtlichkeit aus. Für manche ist es das Zusammensein, das wortlos sein kann wie beim Angeln. Schwierig wird es, wenn verschiedene Bedürfnisse aufeinanderstoßen. Wenn der eine Liebe ausdrückt mit "Ich koche für dich" und der andere macht gerade Diät oder möchte lieber spazieren gehen.

 

In solche Muster verfällt man doch immer wieder?

Angelika Seifert: Stimmt, sie werden in der Kindheit geprägt. Verändern kann man sie wahrscheinlich kaum. Aber es geht darum herauszufinden: Was ist mein Liebesbeweis? Und was der des Partners? Wenn einem das bewusst wird, kann man besser damit umgehen.

 

Ist es für eine Beziehung denn förderlich, oft zu sagen "Ich liebe dich"?

Angelika Seifert: Mit Sicherheit. Jeder Mensch möchte das hören. Aber es reicht nicht, das nur zu sagen – es muss sich auch im Verhalten spiegeln.

 

Haben es christliche Ehepaare leichter zusammenzubleiben?

Roland Seifert: Ich meine, es gibt eine höhere Motivation, nicht so schnell die Flinte ins Korn zu werfen.

Angelika Seifert: Wenn ich mich in unserem Freundeskreis umschaue, glaube ich, sind unter den Christen weniger, die sich getrennt haben.

 

Muss man dann auf Biegen und Brechen zusammenbleiben?

Roland Seifert: Das sieht die katholische Kirche so. Eine Ehe zerbrechen zu lassen, ist sicher etwas ganz Furchtbares und viele Menschen kauen ein ganzes Leben lang daran. Aus meiner Sicht ist die Ehe auch ein Zeitpuffer, der einem die Chance gibt, noch einmal in sich zu gehen. Vertrauen, Vergebung, die Bereitschaft zum Neuanfang – das ist sicher bei gläubigen Menschen oft stärker ausgeprägt.

Angelika Seifert: Aber es gibt sicher auch den Punkt, an dem Paare merken, dass es nicht mehr stimmt oder noch nie gestimmt hat zwischen ihnen. Dann ist die Frage: Wie kann man in Frieden loslassen?

 

Macht ein Versöhnungsversuch noch Sinn, wenn sich Paare, die den Kurs besuchen, schon heftig streiten?

Angelika Seifert: So etwas habe ich noch nie mitbekommen. Aber wir hören auch nicht, was die Paare zueinander sagen: Wir sind im großen Saal des CVJM und es sitzt jeweils ein Paar an einem Tisch, mit genügend Abstand zum nächsten. Der Abend beginnt mit einem Essen, dann folgen ein Impulsvortrag und zwei bis fünf kurze und eine längere Übung. Niemand muss vor der Gruppe Privates offenbaren.

Roland Seifert: Das sprechen wir schon bei der Anmeldung an: Wir machen keine Therapie, das können wir gar nicht. Die "Zeit zu zweit"-Abende bieten eine – geführte – Möglichkeit für junge wie für altgediente Paare, wieder oder überhaupt miteinander ins Gespräch zu kommen.

 

Wie christlich ist der Ehekurs?

Angelika Seifert: Es gibt Anklänge, wir zitieren zum Beispiel Bibelstellen und beginnen den Abend auch mit einem Gebet. Aber man muss kein Christ sein, um teilzunehmen; niemand muss zum Gottesdienst erscheinen oder Angst haben, dass er missioniert wird.

Roland Seifert: Für mich ist die Essenz des Glaubens, dass man liebevoll miteinander umgeht und sich gegenseitig stützt und schützt. Das wollen wir an den Genussabenden vermitteln.

Zeit zu zweit – Genussabende für Paare beim CVJM, für fünf bis zwölf Paare, Start: 9. Februar, 19 bis circa 21.30 Uhr; sechs Themenabende, inklusive Abendessen und Buch "Der Ehekurs", Preis: 110 Euro pro Paar, Kontakt und Anmeldung: Dirk Moldenhauer, Dirk.moldenhauer@cvjm-nuernberg.de – (09 11) 2 06 29-22

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