Außergewöhnliche Stadtführung von Marco Kirchner

9.9.2014, 10:55 Uhr
Außergewöhnliche Stadtführung von Marco Kirchner

© Foto: Harald Sippel

Startschuss ist an der Sebalduskirche vis-à-vis der Lochgefängnisse. Hier zeigt Marco Kirchner einen Galgenstrick. An einem solchen wollte einst der Nürnberger Rat Hans Reinle hängen sehen. Ein Steinmetz und Taschendieb aus Kirchensittenbach. "An seinem letzten Abend bekam er in der Todeszelle seine Henkersmahlzeit. Ein makabres Candle-Light-Dinner, welches Reinle mit seinem Wärter einnahm", so Kirchner. Doch Reinle konnte den Wärter hypnotisieren und floh durch die Lochwasserleitung zum Tiergärtnertor. Obwohl ihm die Häscher des Rates bald auf den Fersen waren — "er wurde nie erwischt".

Muschel-Mafia

Beutelabschneider und Diebesgesindel hätten einst oft eine Muschel dabeigehabt. "Das Heiligenattribut des Apostels Jakobus führten eigentlich Menschen mit sich, die nach Santiago de Compostela pilgerten", erklärt Kirchner. Doch auch solche hätten die Muschel getragen, die andere ausrauben wollten. "Die Muschelbrüder waren eine Art Mafia des Mittelalters." Schlimmer seien nur die Raubritter gewesen.

Nicht Eppelein von Gailingen, "der war eher ein Gentleman". Zumindest im Vergleich mit Thomas von Absberg, dem "Handabhacker". "Die Geistlichkeit gab ihm den Namen 'Thomas der Hodensäbler'", unterstreicht der Geschichtenerzähler. In einem Wirtshaus bei Wendelstein wollte sich von Absberg einst vier Pfeffersäcke schnappen. Doch als er merkte, dass ihn der Wirt verraten wollte, nahm der "Handabhacker" diesen mit. Der Wirt wurde nie mehr gesehen. 1532 soll Thomas von Absberg erschossen worden sein. "Mit einem Nürnberger Faustrohr. Die Waffe wurde danach zum Verkaufsschlager."

In der Weißgerbergasse berichtet der Rundgangsleiter von der harten Arbeit der Gerber, die aber auch einen Vorteil hatte. Sie durften viel Bier trinken, denn man brauchte Urin. "Nicht nur die Gerber, jeder, der die Weißgerbergasse passierte, durfte sein Wasser abschlagen." Eine andere Legende besagt: Die Knochen, die den Imhoff-Altar in der Lorenzkirche zieren, gehörten einst dem Hausdiener Veit. Dies kam so. Konrad Imhoff war als großer Zecher bekannt, der immer aus einem goldenen Becher trank. Eines Tages war das teure Stück verschwunden und Imhoff verdächtigte Veit. Der Mann endete am Galgen.

Eine Woche später fand Imhoff den Becher in einem Schrank und erinnerte sich, dass er diesen selbst betrunken hineingestellt hatte. Imhoff gestand dies vor dem Rat und wurde dazu verurteilt, zeitlebens einen Galgenstrick um den Hals zu tragen. Ein Jahr später verringerte man die Strafe und aus dem Galgenstrick wurde ein seidener Faden. Flankierend schmückte Imhoff den Altar mit den Knochen des Gehenkten und war sich sicher: Veit kommt in den Himmel.

Das wohl auffälligste Epitaph auf dem Johannisfriedhof befindet sich auf dem Grab der Patrizierfamilie Paumgartner. Dazu passend erzählt Kirchner eine gruselige Geschichte von Andreas Georg Paumgartner, der im fortgeschrittenen Alter eine junge Dame ehelichte und bald darauf wegen Altersschwäche verstarb. So zumindest die Version der Witwe, die kurz danach Nürnberg den Rücken kehrte. Als das Grab Jahre später für eine neue Beisetzung wieder geöffnet wurde, entdeckten die Totengräber, dass sich der Mund des darin befindlichen Schädels bewegte. Als man den Schädel untersuchte, fand man einen darin steckenden Nagel. Seine Gattin hatte Andreas Georg Paumgartner offensichtlich um die Ecke gebracht. Zum Gedenken schmückte man den Grabstein mit einem eiserner Totenschädel, dessen Kiefer wackelt.

Der nächste Termin von "Nürnberger Mord(s)geschichten" ist am 11. Oktober um 21 Uhr. Treffpunkt: Nürnberg/Hauptmarkt (direkt vor der Touristen-Information).

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