Bafög-Schock: Stadt dreht Alleinerziehender Geld ab

30.5.2017, 09:23 Uhr
Bafög-Schock: Stadt dreht Alleinerziehender Geld ab

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Mit ihrer Ausbildung hat sich Nicole Z. einen Herzenswunsch erfüllt. Vier Jahre lang habe sie als Alleinerziehende eine Doppelbelastung gestemmt, sagt die 37-Jährige, die zuvor als Verkäuferin gearbeitet hat. Möglich war der berufliche Kurswechsel nur, weil sie das sogenannte Meister- oder, wie es offiziell heißt, Aufstiegsförderungsbafög bekommt. Es wird, anders als das klassische Bafög, unabhängig vom Lebensalter ausgezahlt.

Das Meister-Bafög besteht aus einer Mischung aus Darlehen und Förderung und wurde ihr, wie etlichen ihrer Klassenkameradinnen, laut Bescheid des Bafög-Amtes vom Oktober 2015 ursprünglich bis Ende Juli dieses Jahres bewilligt.

Knall auf Fall gestrichen

Als sie Mitte Mai noch einmal Post von der Behörde bekam, fiel Nicole Z. (Namen der Betroffenen geändert) deshalb aus allen Wolken. Die Förderung für Juni und Juli wurde der Nürnbergerin per Änderungsbescheid Knall auf Fall gestrichen. "Ich weiß noch nicht, wie ich das lösen soll", sagt sie. "So kurz vor der Abschlussprüfung war das für mich persönlich ein Schock."

Zwar bot die Behörde im selben Schreiben an, dass Z. für die fehlenden zwei Monate ein komplettes Darlehen beantragen könne, doch das tröstet die angehende Erzieherin nur wenig. Sie müsse schließlich jetzt ihre Miete zahlen und von etwas leben. "Und wer weiß, wie lange es dauert, bis der Antrag bearbeitet wird."

Nicht noch mehr Schulden

Auch Klara B. hat Angst, dass das Geld nicht rechtzeitig auf ihrem Konto landen wird. Vor allem aber möchte die 25-Jährige nicht noch mehr Schulden machen, als sie ohnehin schon hat: "Ich starte mit 11.000 Euro Schulden in meinen Job", sagt die Nürnbergerin, die bislang knapp 300 Euro monatlich als Zuschuss und 400 Euro als Darlehen bekommen hat.

Was sie besonders ärgert, ist, dass die Benachrichtigung so kurzfristig kam. "Hätten wir es vorher gewusst, hätten wir uns ja wenigstens darauf vorbereiten können."

Auch die Begründung des Amtes können die beiden Frauen nicht nachvollziehen. Es gebe kein Geld mehr, weil dieses nur bis zum letzten Unterrichtstag und damit bis zum Beginn der Prüfungsvorbereitung gezahlt werden könne.

Tatsächlich schreiben die beiden Nürnbergerinnen zwar jetzt ihre erste Klausur, nur - anders als etwa die Abiturienten - müssen sie trotzdem weiter zur Schule gehen. Sie habe gar nicht die Chance, sich mit einem Aushilfsjob etwas dazuzuverdienen, sagt B.

Der Bescheid des Amtes habe viele Schüler überrascht und "für negative Stimmung gesorgt", sagt Michael Kölbl, Leiter der Berufsschule B 10 und damit Chef der städtischen Fachakademie für Sozialpädagogik. Er kann sich nicht erinnern, dass es in den Vorjahren entsprechende Probleme gab.

Doch jetzt seien die Schulen per Schreiben des Kultusministeriums darauf hingewiesen worden, dass die Prüfungsvorbereitungszeit nicht förderfähig ist; wobei Kölbl eine Antwort auf die Frage, wann genau diese beginnt, für schwierig hält. Auch wenn nur noch Stoff wiederholt werde, könnten noch mal neue Aspekte eines Themas auftauchen.

Ein entsprechender Hinweis ist über die zuständige Aufsichtsbehörde jedoch auch beim Nürnberger Amt für Ausbildungsförderung, so der offizielle Titel des Bafög-Amts, eingegangen. Daraufhin wurden Bescheide und Stichtage noch einmal überprüft. In den Augen der zuständigen Abteilungsleiterin Martina Müller ist die Rechtslage eindeutig.

Nur Unterrichtstage gefördert

Anders als beim Ausbildungsbafög, das bis zur Ausgabe der Zeugnisse gezahlt wird (übrigens auch an der Fachakademie), könnten beim Aufstiegsförderungsbafög nur Unterrichtstage gefördert werden, "nicht aber Vertiefung oder Wiederholung". Sie könne nur ausführen, was im Gesetz stehe, zumal sie nur staatliche Gelder auszahle. "Die Stadt hat hier keine Handhabe."

Das bestätigt auch der stellvertretende Chef des Nürnberger Jugendamtes, Georg Reif, zu dessen Behörde Müllers Abteilung gehört. "Wir können das Geld nicht wider besseren Wissens überweisen."

Die Stadt wolle den rund 70 Betroffenen verschiedener Fachschulen deshalb mit dem Darlehensangebot helfen. Die entsprechenden Anträge sollen "möglichst an dem Tag, an dem sie bei uns eingehen", bearbeitet werden, verspricht Müller, die den Frust der Betroffenen nachvollziehen kann. "Wir waren selber entsetzt."

Unzufrieden mit der Stadt

Doch bis das Geld dann auf dem Konto sei, werde es trotzdem zwei bis drei Wochen dauern, sagt Müller. Nicht nur deshalb sind Nicole Z. und Klara B. unzufrieden mit dem Angebot der Stadt. "Einerseits beteuert man uns immer, dass wir Erzieherinnen händeringend gesucht werden", sagen sie. "Und dann werden uns trotzdem solche Steine in den Weg gelegt. Das ist einfach nur traurig."

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