Bamf: "Entscheidungen werden zur Ramsch-Ware"

2.4.2016, 14:48 Uhr
Im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) rumort es weiter.

© Stefan Hippel Im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) rumort es weiter.

"Unsere Entscheidungen werden zur Ramsch-Ware", kritisiert ein altgedienter Entscheider im Gespräch mit den Nürnberger Nachrichten. Es zähle nur, die Fälle schnell zu bearbeiten. "Das Schicksal der Menschen geht viel zu oft unter."

Der Entscheider verweist auf Handreichungen der Bamf-Leitung, die auch den Nürnberger Nachrichten vorliegen: Demnach soll jeder Entscheider "durchschnittlich wöchentlich 20 Anhörungen inklusive Anhörungsprotokoll sowie sofortiger Herstellung der Entscheidungsreife" durchführen. Selbst für eine komplizierte Anhörung bleibe da oft nur eine Stunde Zeit.

Besonders schnell muss es bei Menschen aus vorgeblich sicheren Herkunftsländern gehen, hier wird nach Insideraussagen nur sehr oberflächlich angehört. "Dabei kann auch jemand aus dem Maghreb Schutz brauchen", sagt der Entscheider. "Doch der hat kaum mehr eine Chance darauf."

Teils nur verkürzt geschult

Hintergrund für die beschleunigten Entscheidungen sind die steigenden Asylzahlen und der dadurch nötig werdende massive Personalaufbau im Bamf:  Anfang 2015 verfügte es noch über etwa 2300 Stellen, aktuell sind es bereits über 4350. Die neuen Mitarbeiter werden teils nur verkürzt geschult - in vier Wochen sollen sie das nötige Rüstzeug erhalten.

Wer über "einfach gelagerte Fälle aus weniger komplexen Herkunftsländern" entscheide, werde kürzer eingearbeitet, erklärt eine Bamf-Sprecherin auf Nachfrage der NN. "Ihre Einarbeitung ist daher auf diese Tätigkeit beschränkt und umfasst nicht den selben Zeitraum wie die Einarbeitung der so genannten Vollentscheider, die auch komplexere Fälle bearbeiten." Ein Vollentscheider  werde acht Wochen geschult – bis vor kurzen dauerte aber  auch seine Einarbeitung immer drei Monate.

Mitarbeiter sehen die Verkürzung kritisch: Besonders bei der kurzen Qualifizierung müssten wichtige Aspekte unter den Tisch fallen. Gleichzeitig wird nur ein Teil im sogenannten Qualifizierungszentrum im Nürnberg geschult, der andere wird direkt vor Ort in den Außenstellen eingearbeitet. "Und wie gut das ist, hängt von der Motivation und Zeit der Kollegen ab", sagt ein Entscheider gegenüber dieser Zeitung.

Wozu solch schnelle, mitunter oberflächliche Schulungen führen, zeigt ein Fall, der im Bamf für Furore sorgt: Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hat eine Entscheidung des Bamf aufgehoben und explizit gerügt: Der betreffende Bescheid weise ein "derartiges Durcheinander von für den Sachbearbeiter bestimmten Hinweisen auf Textbausteinen und wohl für den Adressaten bestimmte Textpassagen" auf, heißt es in dem Urteil, das den Nürnberger Nachrichten vorliegt. Es sei daher sowohl dem Asylbewerber als auch dem Gericht "unzumutbar, die Textteile herauszufiltern, die möglicherweise vom Bundesamt als Begründung des Bescheids gedacht sind". Es ist eine schallende Ohrfeige.

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