Bandidos-Prozess: Ex-LKA-Spitzel belastet Polizisten schwer

15.3.2018, 05:47 Uhr
Im Jahr 2009 ließ sich Mario Forster als V-Mann vom LKA anheuern, lieferte den Beamten danach Informationen zu den Machenschaften der Rockergruppe "Bandidos". Am Montag behauptete er jedoch, die Kriminalbeamten hätten ihn zu Straftaten angestiftet.

© Roland Fengler Im Jahr 2009 ließ sich Mario Forster als V-Mann vom LKA anheuern, lieferte den Beamten danach Informationen zu den Machenschaften der Rockergruppe "Bandidos". Am Montag behauptete er jedoch, die Kriminalbeamten hätten ihn zu Straftaten angestiftet.

Um in einem Rockerclub an Informationen zu kommen, das Vertrauen der Bandidos zu gewinnen, reicht es kaum, wüst zu fluchen, zu koksen und Harley-Davidson zu fahren – und Mario Forster hatte mehr drauf: Er besorgte Frauen für die Bordelle der Bandidos und Crystal Meth, er klaute Bagger und schmuggelte antike Münzen. Er hatte ständig Drogen und sei "der wildeste, der wahnsinnigste von allen" gewesen, versicherte jüngst ein Zeuge vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth.

Der oberpfälzer Schrotthändler machte Geschäfte mit den Bandidos, nur mit Forster habe er damals nichts zu tun haben wollen. Und nun sitzt Mario Forster, gelernter Motorenschlosser und ehemaliger Zuhälter, bereits seit drei Verhandlungstagen als Zeuge vor der 13. Strafkammer des Landgerichts und fühlt sich als Opfer. Knapp drei Jahre war der 50-Jährige, der sich heute anders, nennt LKA-Spitzel – im Jahr 2009 ließ er sich als V-Mann anheuern, freilich nicht aus Liebe zum Rechtsstaat, sondern für Geld. Er verkaufte den Polizisten News aus der Rockerwelt – bei geheimen Treffen, per SMS und per E-Mail, Absender: "Adonis".

Forster hat mehr als ein Dutzend Vorstrafen auf dem Kerbholz, er saß häufig in Haft – seine kriminelle Energie kann er nicht leugnen. Doch jetzt geht es um eine ganz andere Frage, eine Frage, die ihn in diesem Prozess zum Belastungszeugen gegen sechs Polizisten macht: Ist er mehr als ein Krimineller – war er Krimineller im Auftrag des Staates? Dreh- und Angelpunkt des Verfahrens vor der 13. Strafkammer ist ein Wochenende im September 2011.

Einige Regensburger Bandidos fuhren nach Dänemark – um Minibagger und Kleinbaumaschinen (Wert: 55.000 Euro) zu entwenden. Auch Forster war mit von der Partie, und wurde im Landkreis Schwandorf geschnappt, als er einen 40-Tonnen schweren Laster mit Mini-Baggern nach Deutschland steuerte – an den Baggern war ein versteckter Peilsender.

Sechs Jahre später sitzen sechs LKA-Beamte vor Gericht – denn einige von ihnen schickten den V-Mann angeblich nach Dänemark auf Diebestour, und als die Nummer aus dem Ruder lief, frisierten sie die Akten, um von ihrem eigenen Versagen abzulenken — so sehen es Stefan Rackelmann und Philip Engl, die in diesem Prozess die Anklage vertreten.

Wahnhafte Welt

Dazu kommt der Vorwurf der uneidlichen Falschaussage: Denn im November 2011 wurde Forster mit Drogen erwischt – er, der V-Mann, der dem LKA auch Infos aus dem Rauschgiftmilieu zugespielt hatte. Zum Prozess kam es in Würzburg. Es mag sein, dass er glaubte, dass er als V-Mann auch irgendwie gegen die Drogenkriminalität im Freistaat gekämpft hatte, auszuschließen ist auch nicht, dass er seine Funktion für dubiose Geschäfte ausnutzen wollte und sich, vielleicht auch ohne Wissen der Beamten, über das Gebot hinwegsetzte, als V-Mann keine Straftaten zu begehen – doch fest steht, dass er in Würzburg massive Vorwürfe erhob.

Er schilderte, dass seine Führungsbeamten sein illegales Treiben nicht nur deckten, sondern ihn zu Straftaten angestiftet hätten. Humbug, befand die Staatsanwaltschaft und Gutachter stellten fest, dass er aufgrund von Alkohol- und Drogenabhängigkeit eine soziopathische Persönlichkeit sei, die dazu neige, an "irrigen, wahnhaften Wahrnehmungen festzuhalten". Die LKA-Leute stellten ihn als Lügner dar. Forster kassierte damals eine langjährige Haftstrafe, er muss sich gefühlt haben, wie die sprichwörtlich heiße Kartoffel, fallen gelassen vom LKA, als er nichts mehr nutzte.

Um vor etwaigen Rache-Aktionen der Rocker geschützt zu sein, musste er sich auch noch eine veränderte Identität erstreiten – gegen das LKA. So betrachtet kein Wunder, dass er sich, freundlich ausgedrückt, verschaukelt fühlt. Bereits vor dem Landgericht kämpfte er – vergeblich – darum, als Nebenkläger in dem Prozess zugelassen zu werden, über seine Beschwerde grübelt derzeit das Oberlandesgericht Nürnberg. Versuchte Freiheitsberaubung könnte den Grund liefern, dass er als Nebenkläger zugelassen wird.

Versuchte Freiheitsberaubung, dies bedeutet eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass die Polizisten in Würzburg tatsächlich falsch ausgesagt haben könnten. So vorsichtig formuliert Forster nicht. Kein wahres Wort hätten die Polizisten damals in Würzburg im Zeugenstand gesagt, "nix, außer ihren Personalien" hätte gestimmt, sagt er als Zeuge vor der 13. Strafkammer auf Nachfrage des Vorsitzenden Richters Ulrich Flechtner. Ist hier ein Ex-LKA-Spitzel auf Rachefeldzug? Treffen seine Aussagen dagegen zu, oder anders ausgedrückt, halten die Richter Forsters Version für zutreffend – dann belastet dies die angeklagten LKA-Beamten schwer, vor allem die beiden V-Mann-Führer.

Der Bagger-Coup, so behauptet Forster, ging mit Wissen seines Verbindungsmannes über die Bühne. Von Anfang an sei klar gewesen, dass er an einem Diebstahl von Baggern in Dänemark teilnehmen würde. Und das habe er dem LKA stets "kommuniziert".

Zähe Beweisaufnahme

Was stimmt denn nun? Deckte eine Sicherheitsbehörde Straftaten und servierte einen V-Mann ab, als er nichts mehr nützte? Oder beging dieser Straftaten zu seinem Vorteil und stopfte sich die Taschen mit dem Geld des LKA voll? Die Beweisaufnahme im Landgericht gestaltet sich zäh, oft wird um Formulierungen gerungen, um einzelne Silben in E-Mails, um zu klären, wer welche Rolle spielte in dieser dunklen Welt der V-Personen und V-Personen-Führer, in der Polizisten und Verbrecher Seite an Seite stehen.

Um zu klären, wie glaubwürdig Forster ist, hat die Strafkammer ein aussagepsychologisches und ein psychiatrisches Gutachten in Auftrag gegeben. Noch kam die Experten nicht zu Wort. Doch die Aussagepsychologin nickt bei Forsters Aussagen immer wieder – etwa als er bemerkt, dass er heute nicht immer in der Lage sei, zu unterscheiden, was er wirklich erlebt und was er in der Akte gelesen hat.