Bei der Frauenquote ist „genug Zeit verplempert“

29.1.2015, 20:28 Uhr
Bei der Frauenquote ist „genug Zeit verplempert“

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Elke Ferner lebt in Saarbrücken, Frankreich ist für die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfamilienministerium ganz nah. Und die Französinnen haben oft nur ein Kopfschütteln übrig. „Ich höre oft von ihnen: ,Wieso lassen sich die deutschen Frauen das gefallen?‘“, erzählte Ferner aus dem Ressort von Manuela Schwesig (SPD) als Gastrednerin beim Neujahrsempfang des Vereins, der als Nürnberger Resolution gestartet war und nun das Kürzel efF trägt.

In der Vereinbarkeit von Beruf und Familie sei Frankreich viel weiter. „Die Franzosen müssen sich keine Sorgen machen, ob sie einen Krippenplatz für das Baby bekommen. Bei uns kümmern sich junge Leute schon darum, noch bevor die Frau überhaupt schwanger ist“, berichtete die SPD-Frau am Rande des Neujahrsempfangs. „Und das Wort Rabenmutter existiert auf Französisch gar nicht.“ Die Sozialdemokraten wollten erreichen, dass sich Männer wie Frauen beim Arbeitgeber nicht mehr rechtfertigen müssen, wenn sie mehr Zeit für das Kind oder für die Pflege eines Angehörigen brauchen.

Bei der Frauenquote hatte die SPD einen Anteil von 30 Prozent in den Aufsichtsräten gefordert. Auf Druck der CDU sind bei den Koalitionsverhandlungen aber nur 30 Prozent herausgekommen. „Diese 30 Prozent stehen nun. Es gibt kein Zurück“, sagt die gelernte Programmiererin, seit 1990 Bundestagsabgeordnete. Anstatt über die Vorgabe zu jammern, sollten sich die Arbeitgeber selbstkritisch fragen, wie es dazu gekommen ist. „Die Wirtschaft hat selbst Schuld.“

Sie hatte ein Dutzend Jahre Zeit, die Selbstverpflichtung ernst zu nehmen und auf freiwilliger Basis den Frauenanteil zu erhöhen. „Es hat sich null bewegt. Da musste man nachhelfen. Das ist ja auch eine Frage der Gerechtigkeit. Wir haben jetzt genug Zeit verplempert“, so Ferner.

Vielfalt ist Trumpf

Sie nennt es „dumm und lächerlich“, wenn die Unternehmen nun klagten, es bedeute für sie eine Belastung, Frauen für Spitzenämter zu finden. Es gebe genügend qualifizierte Managerinnen. Dass darunter Absolventinnen technischer Fächer nicht sonderlich zahlreich sind, sei kein Gegenargument. „Schauen Sie sich nur mal die Vita der Männer in den Führungsetagen an. Die sind auch oft keine Ingenieure, sondern Juristen oder Betriebswirte.“ Im Übrigen sei belegt: Die Firmen, die auf Vielfalt auch der Kulturen achten, seien ökonomisch im Vorteil gegenüber ihren Wettbewerbern, die auf Diversität verzichten. Wie bisher könne es jedenfalls nicht weitergehen. In den Top-Unternehmen liege der Frauenanteil in den Vorständen bei drei bis vier Prozent. „Das ist nicht normal. Wir reden bei den Aufsichtsratsposten nun von ein paar Tausend Frauen. Es sollte doch möglich sein, die zu finden“, so Ferner.

Das Gesetz enthält Vorgaben, die je nach Unternehmensgröße abgestuft sind. Die feste 30-Prozent-Vorgabe betrifft nur die Aufsichtsräte von 108 großen Unternehmen mit Börsennotierung und voller Mitbestimmung. Auch sechs europarechtlich organisierte Konzerne fallen darunter.

Sollte die Quote verfehlt werden, müssen Aufsichtsratsposten zur Strafe unbesetzt bleiben. Nach Informationen aus dem Bundesjustizministerium handelt es sich um rund 170 Aufsichtsratsposten, die nun sukzessive mit Frauen besetzt werden müssen.

Mittelgroße Unternehmen müssen im kommenden Jahr eigene Zielvorgaben für die Postenvergabe an Frauen im Aufsichtsrat, im Vorstand und im Management aufstellen und 2017 erstmals über die Umsetzung öffentlich berichten. Sanktionen bei einem Verfehlen der Ziele sind nicht vorgesehen.

Industrie sucht Kandidatinnen

Die Koalition hofft, dass öffentlicher Druck die betroffenen Unternehmen dazu bewegt, Frauen in Führungspositionen zu bringen. Auch die Bundesverwaltung wird in dem Gesetz verpflichtet, sich für jede einzelne Führungsebene konkrete Zielvorgaben zur Erhöhung des Frauen- oder auch des Männeranteils zu setzen, wenn ein Geschlecht unterrepräsentiert ist.

Offenbar bewegt sich nun einiges in den Führungshierarchien, die ernsthafte Suche nach qualifizierten Aufsichtsrätinnen hat begonnen. Zum Beispiel bei der Leoni AG. Der scheidender Vorstandsvorsitzende des Autozulieferers, Klaus Probst, geht seit einiger Zeit mit diesem besonderen Fokus auf Management-Treffen.

In der so männlich dominierten Welt der Automobilindustrie sei es besonders schwer, technikaffine Kandidatinnen zu finden. In vielen Ländern Osteuropas dagegen, wo Leoni Fabriken unterhält, sei das gar kein Problem, sagte Probst vor einiger Zeit bei den mittelfränkischen Metall-Arbeitgebern.

„In Polen oder der Ukraine haben viele Frauen technische Fächer studiert. In einigen Werken haben wir im mittleren Management fast ein Verhältnis in der Zahl von Männern und Frauen von 50 zu 50“, sagt Probst. In Deutschland dagegen könne davon nicht einmal ansatzweise die Rede sein. Woran liegt es, dass Technikerinnen und Ingenieurinnen in den früheren Ostblockländern inklusive DDR viel reicher gesät sind? Die Staatssekretärin versucht, Erklärungen zu finden: „Es gibt in diesen Ländern eine stärkere Erwerbsorientierung auch der Frauen.“ Auf diese Weise würde mit alten Rollenmustern gebrochen, die Mädchen haben handfeste Vorbilder: die Maschinenbauingenieurin oder die Flugzeugmechanikerin sind keine Exoten.

Die Quote ist nur Vehikel

In Deutschland dagegen sei das Berufswahlverhalten seit 30 Jahren mehr oder weniger konstant. Ferner bezweifelt allerdings, dass es notwendig ist, Technikexperte zu sein, um einen Technikproduzenten kontrollieren zu können. Ob Frauen sich dann in den obersten Kontrollgremien von Siemens oder Telekom wirklich wohlfühlen, stehe auf einem anderen Blatt. „Es muss eine kritische Masse erreicht werden, dann ändert sich die Kultur und neue Aspekte fließen in die Entscheidungen ein. Die Quote ist nicht das Ziel, sondern das Vehikel dazu.“

Der Kabinettsbeschluss soll heute zur ersten Lesung in den Bundestag kommen. Danach wird es in den Ausschüssen behandelt und soll am 6. März, zwei Tage vor dem Internationalen Frauentag, endgültig verabschiedet werden.

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