Betreiber gibt auf: Nürnbergs letzte Videothek macht dicht

16.7.2018, 13:10 Uhr
Betreiber gibt auf: Nürnbergs letzte Videothek macht dicht

© Foto: Julia Vogl

Wenn man die Videothek an der Sulzbacher Straße betritt, dann fühlt es sich fast so an, als sei man mit der Zeitmaschine gereist. Einmal direkt zurück in die Jugend - in die Zeit eben, als der heimische Fernseher gerade einmal fünf Programme kannte und man sich in speziellen Verleihgeschäften mit den aktuellen Kultfilmen versorgen musste.

Heute ist das freilich anders. Wer einen Film ohne Werbung schauen möchte, der tut dies nicht mehr mit Hilfe von DVD-Spielern oder gar Videorekordern. Nein: Heute schaut man über Streamingdienste wie Netflix oder Amazon Prime. "Das ist aber gar nicht so sehr das Problem", sagt James Dütsch, der die letzte in Nürnberg verbliebene Videothek an der Sulzbacher Straße seit fünf Jahren betreibt. Aktuelle Filme - am besten sogar in bester HD-Qualität - lassen sich die Streamingdienste schließlich meist extra kosten.

"Die verlangen schnell fünf oder sechs Euro", sagt Dütsch. Bei ihm gibt es die Blockbuster schon für zwei Euro am Tag. Klassiker verleiht er noch günstiger. Und dennoch - die Videothek ist für viele, die früher Stammkunden waren, heute unattraktiv. "Junge Leute nutzen heute die illegalen Angebote im Internet", sagt Dütsch, "richtig verfolgt wird das ja nicht." Zwar bekommen sie die Filme dort nicht in bester Qualität, "aber sie klicken die Filme halt an". Ebenso problematisch: Kunden, die die DVDs nicht wieder zurückbringen. Das habe den Verleihgeschäften das Genick gebrochen.

Dütsch ist 2011 als Betreiber in die Videothek eingestiegen. 2016 übernahm er die Videothek als Inhaber vom Deutschen Videoring. Hätte er das Ende damals nicht schon absehen können? "Es war damals schon schwierig", sagt Dütsch, "aber ich habe es eben noch einmal probiert." Das Telefon klingelt: "Dirty Dancing 2 hab ich hier", sagt Dütsch zum Anrufer, "aber ganz ehrlich: Der Film ist nicht besonders, das Original war viel besser." Früher hat Dütsch jede Woche zehn bis 20 Filme geschaut – auch auf dem Röhrenfernseher, der noch heute über dem Tresen thront.

Wer unentschlossen in die Videothek kommt, der bekommt den passenden Streifen verpasst. "Aber viele wollen gar keine Empfehlung mehr", sagt er. Dabei ist bei seinen rund 10.000 Filmen garantiert für jeden etwas dabei. Viele Stammkunden wissen das zu schätzen. Aber die sind meistens berufstätig, kommen nur am Wochenende - davon allein kann Dütsch nicht leben. Zumal die Betriebskosten eine gegensätzliche Entwicklung zu den Umsätzen eingeschlagen haben.

Eine Zeit lang hat es Dütsch zusätzlich noch mit dem Verleih von Videospielen versucht. Das Problem aber: Die Daddelfans wollen nur bestimmte Spiele, die Verleiher aber rücken sie nur im Paket raus. "Das ist ein Draufzahlgeschäft", sagt Dütsch. Im Moment versucht er, seine Filme noch zu Geld zu machen. Die DVDs rückt er ab 99 Cent raus - diesmal für immer. Bis Ende August will er den Laden schließen. Was er danach macht? "Erst einmal Urlaub", sagt er. Den hatte er seit 2011 nicht mehr. Und vielleicht wird er sich dann auch den ein oder anderen Lieblingsfilm ansehen. Jumanji, Indiana Jones, Forrest Gump - ihm haben es eben die Klassiker angetan.

Wenn die Videothek an der Sulzbacher Straße geschlossen ist, dann müssen Filmfans nach Fürth fahren. Bislang gibt es dort an der Schwabacher Straße einen Filmverleih, der sich tatsächlich noch behaupten kann. Wie das funktioniert? "Mit Hängen und Würgen", sagt Harald Krammer. Ein wenig hofft er ja, dass er davon profitieren kann, dass die Nürnberger künftig nach Fürth fahren, wenn sie sich einen Film leihen möchten.

Aber Dütsch meint: "In der Branche hat man nichts von einem Monopol." Und trotzdem: Krammer, der sich 1992 von seinem Aushilfsjob zum Geschäftsführer hochgekämpft hat, kämpft weiter. Sein Vorteil: Anders als Dütsch ist er keine Familienvideothek, sondern bietet auch jede Menge Filme für Erwachsene. "Es gibt Kunden, die legen Wert darauf, ihre Daten nicht irgendwo zu hinterlassen", sagt er. Eine Kundendatei ist ihnen eben lieber als Spuren im Netz zu hinterlassen, bei denen man nie weiß, in wessen Hände sie fallen. Sechs Jahre noch - so lange will Krammer noch durchhalten. Dann wird auch in der Nachbarstadt die letzte Videothek schließen.

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