Dank Sicherheitspakt: Nürnberg ohne echte Problemviertel

12.6.2018, 18:26 Uhr
Szenen wie hier in der Denisstraße sind in Nürnberg Ausnahmen. Im April eskalierte  in Gostenhof ein Streit - drei Menschen wurden verletzt.

© ToMa/Eberlein Szenen wie hier in der Denisstraße sind in Nürnberg Ausnahmen. Im April eskalierte in Gostenhof ein Streit - drei Menschen wurden verletzt.

Wenn sich Fehlentwicklungen oder Schwierigkeiten im Zusammenleben abzeichnen, dann sollte durch frühe Absprachen, wechselseitigen Austausch von Informationen und rechtzeitiges Eingreifen die Sicherheitslage gestärkt werden. Diese Idee liegt dem Sicherheitspakt zugrunde.  Richtige Problemviertel gibt es offiziell deshalb in Nürnberg bislang nicht. "Es soll nicht erst gehandelt werden, wenn etwas passiert ist. Wir wollen präventiv tätig werden", sagt die Leiterin des Bürgermeisteramts, Christine Schüßler.

Der Sicherheitspakt sei so erfolgreich, dass ihn andere Städte nachgeahmt haben. "Einen intensiven Meinungsaustausch mit verschiedenen Fachleuten gibt es nicht überall. Auch wenn wir nicht immer von allen Argumenten wechselseitig überzeugt sind", so Schüßler. Die Mitglieder des Sicherheitspakts treffen sich alle drei Monate, um sich über die Entwicklungen in der Stadt auszutauschen und um langfristig größere Linien festzulegen. Ein Projekt in der Vergangenheit war etwa, Schülerinnen und Schüler, die während der Unterrichtszeit in der Stadt unterwegs waren, von der Polizei ansprechen zu lassen, um so gegen das Schulschwänzen vorzugehen.

Gewalt ist das größte Problem 

Neben Schüßler sind Vertreter des städtischen Ordnungsamts, des Rechtsamts, der Staatsanwaltschaft, der Kriminalpolizei, aber auch vom Servicebetrieb Öffentlicher Raum (SÖR) beteiligt. In Einzelfällen auch das Sozialreferat. Derzeit geht es darum, wie der geplante Kommunale Außendienst organisiert werden soll, was in der Königstorpassage noch verbessert werden kann, um auch das subjektive Sicherheitsgefühl der Passanten zu stärken, und wo die von Ministerpräsident Markus Söder zugesagte Reiterstaffel untergebracht werden kann.

Es werden auch Großveranstaltungen vor- und nachbesprochen. Brennpunkte im Stadtleben, die plötzlich und punktuell entstehen, werden von einem eigenen Arbeitskreis betreut, der monatlich tagt. "Hier geht es um konkrete Einzelfälle wie wilde Zeltlager oder Müllhalden sowie Ruhestörungen bei Feiern", sagt Schüßler. Das größte Problem sei immer wieder aufbrechende Gewalt, die aber nicht bestimmten Stadtteilen zugeordnet werden kann.

Drogenszene zieht oft weiter 

Die Messerstecherei etwa in der Denisstraße in Gostenhof vor wenigen Wochen, bei der es drei Verletzte gegeben hat, lasse sich nicht mit der wachsenden Gewaltbereitschaft von Thrakern, einer türkischen Minderheit, die in Griechenland und eben auch in Nürnberg lebt, erklären, so Schüßler: "Die Thraker sind bei Gewaltdelikten nicht auffälliger als andere. Wir müssen nur aufpassen, dass sie ihre Kinder in die Schule schicken." Der Konflikt sei zunächst mit sozialen Ursachen erklärt worden. Das stimme aber nicht, so Schüßler. Es ging um zu laute Kinder auf der Straße.

Ein Problemviertel sei Gostenhof auch nicht. "Es war ein Einzelfall." Wenn Drogendelikte verstärkt an einem Ort auftreten, dann werde versucht, etwa mit hellerem Licht die Szene zu vertreiben, zuletzt war das im Umfeld der Wöhrder Wiese der Fall. Aus diesem Grund soll auch der Jamnitzerpark umgestaltet werden. Viele Beschwerden gebe es über Drogen- und Alkoholkonsum am Aufseßplatz. Schüßler weiß, dass kleine Drogenszenen oft nur weiterziehen. Ein Problembereich wird derzeit im Umfeld der Wärmestube beobachtet. Dabei geht es um Alkoholmissbrauch, vor allem von Menschen aus Osteuropa.

Jedes Opfer ist eines zu viel 

Ratlos steht die Stadt dem Zerdeppern von Flaschen im öffentlichen Raum gegenüber. "Wir haben schon alle Schülersprecher angeschrieben, damit sie bei Abschlusspartys mäßigend einwirken", sagt Schüßler. Die größten Probleme mit Lärm und Flaschen bereiten offenbar die "Unter- 18-Partys" in den Diskotheken, denn dann brechen die meisten Beteiligten zum gleichen Zeitpunkt auf. Etwa in Klingenhof. Es soll aber auch nicht zu viel Polizei eingesetzt werden. Feiern gehöre in einer Großstadt dazu.

Lärmprobleme gibt es immer wieder im Umfeld der Pegnitz und an der U-Bahn-Station St. Leonhard. Gewalt gegen Prostituierte ist bislang kein Schwerpunkt des Sicherheitspakts. Schüßler weiß aber, dass das nicht bedeutet, dass es keine gibt: "Die Prostituierten wechseln ständig, und die betroffenen Frauen wollen keine Anzeige erstatten." Auch wenn es keine richtigen Problemviertel gibt und die Zahl der Delikte für eine Großstadt im vergleichsweise niedrigen Bereich liegt, so hat jeder, der ein Opfer von Gewalt, Diebstahl oder Raub geworden ist, schwer daran zu tragen. Niedrige Gesamtzahlen helfen dem Einzelnen dabei wenig.

Auch weiß die Amtsleiterin, dass das subjektive Sicherheitsgefühl der Bürger nicht immer rational gesteuert ist: "Es passiert nichts und trotzdem entsteht manchmal in der vollen U-Bahn das komische Gefühl, dass etwas passieren könnte."

 

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