Das lange Warten auf Sozialwohnungen in Nürnberg

15.8.2018, 06:00 Uhr
Das lange Warten auf Sozialwohnungen in Nürnberg

© Oliver Berg/dpa

Zu keinem Thema bekommt OB Ulrich Maly so viel Post auf den Schreibtisch. Warum, schreiben ihm verzweifelte Menschen, hilft uns die Stadt nicht? Warum lässt sie uns allein in dieser Lage?

Beantworten muss diese Brandbriefe Malys Bruder Dieter, der das Sozialamt leitet und für Hilferufe zuständig ist. Er tut sich schwer damit, kann kaum Tröstliches mitteilen. Denn es gibt nur wenige Stellschrauben, an denen die Kommune wirksam drehen könnte.

Wenn Maly das Wenige aufzählt, das getan werden kann, wirkt das, als würde man ein brennendes Haus mit einem Eimer Wasser löschen wollen. Mit einer zwingenden Ausnahme: die Daumenschrauben. Sie werden Bauträgern angelegt, die über 30 neue Wohnungen planen. Sie müssen 30 Prozent öffentlich geförderte Wohnungen mitbauen, eine Regel, die viele Städte mit Wohnungsnot anwenden. So trotzen sie den Bauträgern ihren Beitrag zum Gemeinwohl ab.

Ein Zwang, der Früchte trägt: Nach diesem Prinzip realisiert wurden jüngst 48 Sozialwohnungen und 27 Eigenheime am Nordbahnhof, 16 Reihenhäuser und 32 Sozialwohnungen am Nordostbahnhof. Im Bau sind zwei Häuser auf dem ehemaligen Quelle-Parkplatz mit 95 Sozialwohnungen, 28 geförderte Mietwohnungen in Mögeldorf sind geplant.

Große Hoffnungen liegen auf sieben weiteren Bauvorhaben, die in den nächsten Jahren 3529 neue Wohnungen bringen könnten. Dank der 30-Prozent-Regel würden über 1000 davon für Menschen mit wenig Geld reserviert. "Das rettet uns", sagt Britta Walther vom Stab Wohnen im Rathaus, und liefert gleich die Statistik mit, die belegt, wie nötig diese Rettung sein wird. Denn während mühsam um bezahlbaren Wohnraum gerungen wird, fallen ständig ältere Sozialwohnungen aus der Bindung und landen teurer auf dem freien Markt. Heuer rund 250, nächstes Jahr 480, 2020 rund 570. Im Spitzenjahr 2021 werden es sogar über 700 Wohnungen sein.

Wie Butter in der Sonne schmilzt also weg, was dringender denn je gebraucht wird. Dass die katastrophale Talfahrt beim Neubau von Sozialwohnungen nach vier Jahrzehnten endlich gebremst scheint, wird diesen Aderlass nicht wettmachen. Dieter Maly sieht deshalb zwar Licht am Ende des Tunnels, aber er warnt auch: "Den ärmeren Teil der Bevölkerung mit Wohnungen zu versorgen, wird eine der größten Herausforderungen für die Sozialpolitik der kommenden Jahre."

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