Das Nachbarschaftshaus: Raum für Sprache und Kultur

20.11.2018, 15:56 Uhr
Das Nachbarschaftshaus: Raum für Sprache und Kultur

© Foto: Berny Meyer

Als Kind hat Lilia Arapogianni hier selbst ihre ersten Tanzschritte gelernt, jetzt steht sie als Lehrerin in der Turnhalle des Nachbarschaftshauses und bringt unter anderem ihren eigenen Kindern traditionelle thessalische Tänze bei. Bis zu ihrem 18. Geburtstag habe sie keine Probe verpasst, sagt die Nürnbergerin. "Das war eine schöne Kindheit und das möchte ich jetzt weitergeben." Arapogianni ist zwar gebürtige Deutsche, doch ihre griechischen Wurzeln möchte sie nicht missen — Tanz und Musik sind in ihren Augen wichtige Mittel, die eigene Kultur zu bewahren.

Heimat des Multikulturellen

Das Nachbarschaftshaus bietet nicht nur den Griechen den passenden Rahmen dafür. Relativ groß ist auch die Gruppe der Tamilen, die im Haus eine eigene Schule betreiben. 150 Kinder und Jugendliche zwischen vier und 20 Jahren lernen dort Sprache und Kultur ihrer Heimat kennen — und müssen am Ende des Schuljahres richtige Prüfungen bestehen. "Wir sind zwar nicht pingelig, aber 80 Prozent des Stoffs müssen sie schon schaffen", sagt der ehrenamtliche Schulleiter Santhakumar Kanthasamy.

Das Nachbarschaftshaus: Raum für Sprache und Kultur

© Foto: Stefan Hippel

Der 44-Jährige ist froh, dass sein Verein die Räume nutzen kann. "Es ist nicht einfach, irgendwo unterzukommen." Zudem fördere das Haus den Austausch mit anderen Kulturen, sagt Kanthasamy, der auch im Beirat des Nachbarschaftshauses aktiv ist. "Wir sind nicht nur unter uns." Wer an einem Samstag durchs Nachbarschaftshaus streift, der trifft auch Magdalena Teneva, die bulgarische Kinder unterrichtet, Veriko Modebazde, die mit ihren Schützlingen ein Theaterstück in georgischer Sprache probt, und Mehmet Elbistan, der seine kurdischen Landsleute berät. Sie alle fühen sich wohl in dem historischen Gebäude.


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Die Gemeinschaft steht im Vordergrund

Hadgo Werkha geht noch einen Schritt weiter. "Dieses Haus ist unsere Heimat", sagt die 58-Jährige, die sich in der eritreischen Frauengruppe engagiert. Auch hier wird gemeinsam gelernt, allerdings stehen deutsche Vokabeln auf dem Stundenplan — und die gegenseitige Hilfe im Alltag. Das Haus sei ein wichtiger Treffpunkt für sie und ihre Freundinnen, sagt Werkha. "Hier ist immer was los."

Wie wichtig das Haus als Treffpunkt ist, das weiß kaum jemand besser als Lucia Skarlatos. Sie leitet seit 31 Jahren den Club Estia, benannt nach der griechischen Göttin der Familie — eine der ältesten Einrichtungen im Haus. Zu Beginn trafen sich die Frauen der "Gastarbeiter" zum Stricken und Nähen, jetzt sitzen sie gemütlich bei Kaffee und Kuchen zusammen, später wird noch Deftiges aufgetischt.

Ein Haus der Freundschaft

Die 74-Jährige steht den anderen Frauen jedoch auch mit Rat und Tat zur Seite. Anfangs ging es darum, in der neuen Heimat Halt zu finden,
jetzt stehen Fragen zur Rente und Pflegeversicherung im Vordergrund. Gemeinsam sind die Damen alt geworden, die Freundschaft ist geblieben.

Überhaupt sind die Frauen sehr aktiv im Nachbarschaftshaus. Ulrike Schmitt engagiert sich im Gostenhofer Frauentreff, einem losen Zusammenschluss engagierter Frauen, der in dieser Form erst seit sechs Jahren existiert. Die Gruppe sei ein "offenes Forum" für interessierte Frauen, sagt Schmitt. "Niemand muss regelmäßig kommen." Sozialpolitische Themen stehen ebenso auf dem Programm wie die unterschiedlichen Kulturen — unlängst war zum Beispiel die Rolle der Frau in Japan ein Thema. Der Club lebe die Grundidee des Nachbarschaftshauses, findet die 61-Jährige. "Es geht darum, Ideen zu bündeln und Menschen zusammenzubringen."

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